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Kostensteigerungen auf das Achtfache – das klingt drastisch. Aber: Sowohl die Bochumer Stadtverwaltung als auch das zuständige Planungsbüro nehmen die Kostenexplosion gelassen hin. Die Entwicklung sei „nicht absolut gewöhnlich, aber auch nicht spektakulär,“ sagt Jens Hendrix vom Bochumer Stadtplanungsamt. Auch wenn alle Ansätze nicht eingehalten werden können? Auch dann. Kostenverschiebungen seien bei einem solchen Projekt „völlig normal“.
Verwaltungswissenschaftler Lars Holtkamp wundert das wenig. „Bei Stadtumbauprojekten wird systematisch zu niedrig kalkuliert.“ Die Kommune brauche die Fördergelder. „Dafür bedarf es einer gewissen Antragsprosa“, so Holtkamp. Die Planungsbüros machen da gerne mit: Sie werden schließlich dafür bezahlt.
Erstellt hat das Entwicklungskonzept im Jahr 2006 das Architekturbüro Pesch und Partner aus Herdecke, in Zusammenarbeit mit dem Bochumer Institut InWis. „Beide sind sehr erfahren in Stadtumbauprojekten“, sagt Hendrix. Dann kann mir Andreas Bachmann von Pesch und Partner ja sicher erklären, wie es zu den Fehlkalkulationen kommen konnte. „Das kann ich Ihnen leider nicht erklären“, sagt Bachmann aber. Versichern könne er jedoch, dass bei in ihrem Büro „keine Null verrutscht“ sei.
Geplant wird mit Erfahrungswerten: Wie viel hat ein Quadratmeter sanierter Platz hier gekostet, wieviel dort, wie entwickeln sich die Materialpreise. „Heraus kommt eine Kostenschätzung, die in den meisten Fällen wirklich realistisch ist“, so Bachmann. Und warum dann trotzdem diese enormen Mehrkosten? „Mit der Umsetzung haben wir nichts zu tun“, so Bachmann. „Wenn man inhaltliche Veränderungen am Konzept vornimmt, wie das in Bochum beim Generationenpark geschehen ist, dann kann die Kalkulation nicht mehr stimmen.“ Eine Schuldzuweisung in Richtung Stadtverwaltung sei dies aber ausdrücklich nicht. Stadt und Planungsbüro sind sich also einig: Die Kostensteigerungen seien lediglich das Ergebnis ungünstiger Verquickungen, die im Einzelfall nicht vorhersehbar waren. Die Rolle von Pesch und Partner im aktuellen Fall kommentiert Hendrix so: „Das würde keiner anders machen.“
Stimmt wohl. Dass die „Erfahrungswerte“, mit denen bei Pesch und Partner kalkuliert wird, nicht wasserfest sind, ist allerdings kein Geheimnis. „Bauunternehmen bieten generell Preise an, die nicht zu realisieren sind, um öffentliche Aufträge an Land ziehen zu können“, so Lars Holtkamp. Die Geldgeber – zum Beispiel das Land NRW – müssen ihre Mittelvergabe politisch rechtfertigen. Das funktioniert am besten mit großen Plänen für wenig Geld. An dieser Stelle gibt es also ebenfalls den Anreiz für systematische Fehlkalkulation. „Heraus kommen dabei Konzepte, bei denen von vorne herein klar ist, dass sie nicht für die Mittel zu haben sind, die zur Verfügung stehen. Diese Antragspraxis hat sich informell fest eingeschliffen. Für Sanktionen gibt es keine Rechtsgrundlage“, so Holtkamp. Mit anderen Worten: Egal wie fehlerhaft die Planungen sind, sie bleiben für die Beteiligten folgenlos.
Unter diesen Verhältnissen leiden nicht nur die Qualität der Projekte, sondern auch die kommunale Demokratie. Denn die Entscheidung darüber, welche Teile des Entwicklungskonzepts angesichts der Kostensteigerungen letztlich trotzdem noch umgesetzt werden, trifft die Stadtverwaltung, nicht die Kommunalpolitik. Die Entscheidungsgewalt der Verwaltung werde somit gerade in Kommunen mit schiefer Finanzlage informell aufgewertet, so Verwaltungswissenschaftler Lars Holtkamp.
Tatsächlich haben die gewählten Kommunalvertretungen in Bochum im derzeitigen Stand des Projekts kaum noch Einfluss darauf, welche Projekte nun realisiert werden und welche nicht. Denn die Verwaltung teilt lediglich mit. Zum Beispiel dies: „Generationenpark – Es waren nur 41.000 Euro kalkuliert. Verausgabt wurden jedoch 300.000 Euro.“ Ups! Da habe man sich wohl etwas unklar ausgedrückt, so Jens Hendrix. Ursprünglich sei nur eine Grünfläche geplant gewesen. Jetzt gibt es aber – angeblich auf BürgerInnenwunsch – den „Generationenpark“, eine Art Rentnerparkour mit Trimm-Dich-Geräten, Bänken und Boule-Bahn.
Für die Sanierung des gesamten Springerplatzes, an dem der „Generationenpark“ liegt, waren im Entwicklungskonzept 600.000 Euro vorgesehen. Kosten wird er nun eine ganze Million Euro mehr. „Unerwartete Probleme bei der Umsetzung“, so Hendrix. An der Baarestraße sollten für 86.000 Euro Grünflächen aufgewertet werden. Vorher mussten diese Flächen erst von der Deutschen Annington, einer großen Wohnungsgesellschaft, erworben werden. Das stand jedoch nicht im Konzept. „Außerdem mussten auch die umliegenden Straßen übernommen werden“, heißt es in der Mitteilung der Verwaltung. Aus 86.000 Euro wurden so 565.000 Euro.
Die Liste ist lang. Sie endet mit einem ernüchternden Fazit: „Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sämtliche im Entwicklungskonzept vorgesehenen Ansätze, die vor fünf Jahren ermittelt wurden, bei ihrer Umsetzung nicht eingehalten werden können.“ Professor Holtkamps Kritik scheint sich zu bestätigen.
Fest steht jedenfalls: Ist die Fehlplanung einmal genehmigt, muss nachgebessert werden. So wie im aktuellen Fall: „Bei der Streichung oder Kürzung einer Maßnahme wurden sehr hohe Maßstäbe angesetzt“, so die Bochumer Verwaltung. Ändern könne man das nicht mehr: „Die Verschiebungen und Kürzungen im Entwicklungskonzept sind bereits mit der Bezirksregierung und dem Ministerium abgesprochen worden“, heißt es in der Mitteilung. Vollendete Tatsachen also. Mit den gewählten kommunalen Gremien gab es dagegen keine Absprache. Entsprechend sauer und aufgebracht zeigen sich einige der lokalen MandatsträgerInnen: Die rot-grüne Mehrheit der Bezirksvertretung Mitte hat die Mitteilung der Verwaltung postwendend zurückgewiesen und fordert jetzt, über eine revidierte Vorlage auch selbst abstimmen zu können. „An der Tatsache, dass die Kalkulationen falsch waren und einige Projekte wegfallen werden, wird auch das allerdings wenig ändern“, räumt ein Mitglied der Bezirksvertretung ein. Das weiß auch Jens Hendrix: „Wenn die Politik einen Beschluss will, schreiben wir ihr eben einen Beschluss.“ Die systematische Fehlkalkulation von Förderprojekten wird so zum demokratietheoretischen Problem. „Letztlich entscheidet die Stadtverwaltung, was beim Stadtumbau tatsächlich herauskommt“, so Professor Holtkamp. Der Umsetzungsprozess bleibt für die Öffentlichkeit im Dunkeln. Denn was wirklich zu den Kostensteigerungen und den daraus resultierenden Konzept­änderungen geführt hat, ist nicht mehr nachzuvollziehen.

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