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„Wir suchen nach geeigneten Räumen in der Gegend, mit dem passenden Ambiente und nicht zu groß“, sagt Norbert Kurtz. Der Betreiber der Szene-Disco Zwischenfall steht im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trümmern seiner Existenz. Die obere Etage des Gebäudes ist ausgebrannt, auch die großen Mengen Löschwasser haben ihre Spuren hinterlassen. „Der Zwischenfall selbst stand eineinhalb Meter unter Wasser“, so Kurtz. Das Feuer im Dachgeschoß habe zwar nicht auf die Disco im Erdgeschoß übergegriffen, die komplette Elektronik aber, etwa die Musik- und Lichtanlage, sei der Löschwasserflut zum Opfer gefallen.
Damit dürfte die Geschichte des Zwischenfalls beendet sein – zumindest in Langendreer. Den Mut hat Kurtz aber noch nicht verloren, auch weil die Unterstützung von Fans und Stammgästen auf Facebook und anderen Plattformen so überwältigend ist, dass sie den Verantwortlichen sogar über den Kopf zu wachsen droht.

Abseits des Mainstreams

Norbert Kurtz und sein Partner Klaus Märkert waren in den achtziger Jahren angetreten, Nischengenres wie Punk und New Wave Raum zu bieten. Zwei Dinge waren den Partnern damals besonders wichtig. Erstens das richtige Publikum denn: „Die Gruftis und Punks waren friedlich, und das fand ich immer sehr wichtig für eine Disco“, so Märkert. Zum andern, und das firmiert für die Partner heute unter Idealismus, musste „die Musik stimmen“. Gemeint ist „Spartenmusik, die zum Zwischenfall passt“. Und so berichten Stammgäste dann auch etwas überschwänglich von „allen wichtigen Bands“ der verschiedensten Stile, welche „hier und sonst nirgendwo in Deutschland“ gespielt hätten.
Aus dieser sicher etwas verklärenden Darstellung lässt sich aber eines klar herauslesen: Der Zwischenfall war für die eingeschworene Stammklientel mehr als bloße Freizeitbespaßung. Er war Lebensgefühl, ideologisches Refugium, „zweites Wohnzimmer“, so der Tenor im Netz. Und so haben Kurtz und Co. viele alte Geschichten zu erzählen. Etwa, als die berüchtigte rechtsradikale „Borussenfront“ um den Dortmunder Neonazi-Kader Siegfried Borchert, genannt „SS-Siggi“, den Laden aufmischen wollte. Doch durch die entschiedene, „auch körperliche“ Gegenwehr der Anwesenden im Zwischenfall konnten die Angreifer vertrieben werden. „Von da an war ganz ganz lange Zeit Ruhe!“, so Kurtz, man erkennt in seiner Aussage eine Bezugnahme auf die gegenwärtigen Naziprobleme im Stadtteil. Überhaupt bewegt sich das Stimmungsbarometer der SympathisantInnen irgendwo zwischen Frustration, Nostalgie und Aufbruchstimmung. Indes machen sich die ehemaligen ProtagonistInnen Gedanken, wie es weitergeht mit dem, was im Zwischenfall begonnen hat. „Jetzt gilt es, alte Netzwerke spielen zu lassen“, so Kurtz. „Mit den alten Hasen in der Bochumer Kneipen-Szene habe ich schließlich schon im Sandkasten gespielt!“

Kultur-Projekte bedroht

Schon gebuchte Konzerte werden nach dem Brand kurzfristig in die Matrix und den Bahnhof Langendreer verlegt. Aber wohin mit den regelmäßig stattfindenden Projekten und Veranstaltungen? Da wäre zum Beispiel der Freestyle-Rap Stammtisch „Superior Session“ um den Bochumer Rapper Meller. Er und RapperInnen aus dem gesamten Ruhrgebiet hielten hier seit inzwischen zwei Jahren ihre monatliche Session ab. Es war eine gute Gelegenheit zum Vernetzen, Kooperieren, Gleichgesinnte treffen. Grade fing die Sache an, so richtig warmzulaufen. Freundschaften sind entstanden, Musik-Projekte wurden geplant. Die dahingeraffte Disco ist für die Community identifikatorisch geworden. Die Veranstaltungsreihe hat der Zwischenfall um eine Subkultur bereichert, der sonst eher düstere Gothic- und Punkladen zog in der letzten Zeit immer mehr Hip-Hop Publikum an. „Wir brauchen dringend eine neue Location“, so der Bottroper Rapper Proton. Es gebe Überlegungen, in den Bochumer „Untergrund“ auszuweichen. Daran aber manifestiert sich das Dilemma. Der bisherige Laden war nicht nur von der Ausrichtung, sondern auch von der Größe her perfekt für die Session, denn: „der Laden (Untergrund) ist dreimal so groß wie der Zwischenfall, wenn dann nur zwanzig Leute kommen ist das Abfuck“.
Dafür, dass der Zwischenfall andernorts auch finanziell wieder auf die Beine kommt, wollen viele Menschen sorgen: Bereits am 2. September wird ein Zwischenfall-Gig im Bahnhof Langendreer zur Benefiz-Veranstaltung, weitere Soli-Aktionen sind fest geplant.

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