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Es handle sich um eine „fürchterliche Verirrung“ einzelner Personen, „die zu verurteilen“ sei, erklärte Leverkusens Oberbürgermeister Reinhard Buchorn (CDU). Und selbst der Vorsitzende der extrem rechten Kleinpartei Pro NRW Markus Beisicht forderte, dass die TäterInnen „hart bestraft“ werden müssten. Was hinter diesem scheinbaren Konsens steht, wird ein paar Zeilen später sichtbar. Die zur Schau gestellte Empörung ist für den ehemaligen Republikaner- und jetzigen Pro-NRW-Funktionär lediglich die Einleitung zu seinem eigentlichen Anliegen: Die reflexhafte Entschuldung rechter Agitation vom Vorwurf der Pogrom-Stimmungsmache. Dabei nutzt er selbst den Anschlag für antiziganistische Hetze: Die „Interessenverbände der Sinti und Roma“ könne man auch als „Interessenverbände für organisierte Kriminalität bezeichnen“, pöbelt er.

Landesverband empört

Der Stein des Anstoßes: Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma NRW hatte auf die rassistische Kampagne verwiesen, mit der in Leverkusen seit längerem gegen Sinti und Roma gehetzt wird. Ein antiziganistischer Protestzug war sogar an dem angegriffenen Mehrfamilienhaus vorbei gezogen. Außerdem erinnerte der Landesverband an eine Unterschriftenaktion von Pro NRW, die sich gegen Roma in der Stadt richtete.
Dass der Brandanschlag keineswegs aus dem Nichts heraus von EinzeltäterInnen verübt wurde, lässt sich auch in den Lokalmedien ablesen. „Erstmal hat´s geknallt, und die Typen sind davongelaufen, und dann hab ich mich ins Bett gelegt“, erklärt eine Anwohnerin in einem Videobeitrag auf der Homepage der Rheinischen Post. Ihr hat das Pogrom scheinbar nicht die Nachtruhe geraubt. „Das war echt Krieg, das war Bombenalarm“ fügte sie mit einem kleinen Lächeln hinzu. Auch in anderen Online-Portalen finden sich zahlreiche Kommentare, die kompatibel zur rechten Hetze sind.
Die Reaktionen auf den Brandanschlag in Leverkusen sind ein weiterer Beleg dafür, dass antiziganistische Ressentiments längst hoffähig geworden sind. Nicht selten rotten sich Nachbarschaft, Medien und Lokalpolitik zusammen, um angebliche „Messi-Mieter“ und „Balkan-Clans“ (Bild) zu vertreiben. So geschehen beispielsweise in Bremen 2009. Dort störten sich AnwohnerInnen an einer Roma-Familie in ihrer Straße. Diese würden mit 60 Personen „auf Matratzen lagern“, sich in Telefonzellen waschen und ganze LKW-Ladungen mit Frauen und Kindern zum Betteln karren, zeichnete das Boulevard-Blatt farbenfrohe Bilder des Ausnahmezustands – ohne auf die jahrelange Ausgrenzung und Prekarisierung der Betroffenen einzugehen. Dass VermieterInnen, Polizei und Verwaltung den Geschassten ein rechtlich einwandfreies Verhalten bescheinigten, spielte keine Rolle. Auch die weiteren Anschuldigungen des Mobs hielten einer Verifizierung nicht stand, verhängnisvoll wirksam waren sie dennoch.
Die Kampagnen in Leverkusen und Bremen sind keine Einzelfälle. Vieles erinnert an die Ereignisse in der Dortmunder Nordstadt seit dem vergangenen Jahr, wo sich die lokale SPD als rassistische Scharfmacherin profilierte (die bsz berichtete). Auch hier bildete sich ein Block aus AnwohnerInnen, Medien und Politik. So ließ sich die WAZ dann sogar die Dynamik sozialen Elends unter MigrantInnen von einem Ethnologen erklären – als wäre Kriminalität tatsächlich eine „Rassen-Frage“.

Für das Recht auf Existenz

Was also bleibt nach den Anschlägen in Leverkusen? Die alten Vorurteile vom fahrenden Volk mit seinen lüsternen Weibern und kriminellen Männern scheinen sich nicht nur hartnäckig zu halten, sondern sogar weiter zu verstärken. Getragen wird die Hetze von einer weit verbreiteten Gleichgültigkeit gegenüber dem Thema Antiziganismus. Als Problem werden die von rassistischer Ausgrenzung und Verfolgung Betroffenen angesehen, weniger der Rassismus selbst. Längst richtet sich der rechte Volkszorn auch gegen Grundsätze der Europäischen Union, die im Rahmen des EU-Freizügigkeitsgesetzes das Recht auf Wohnen innerhalb der EU verbrieft. Nötig wäre hier vor allem Aufklärung und eine starke Zivilgesellschaft, die den Grundsatz beherzigt: Die eigentliche Stärke einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht.

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