Der erste Höhepunkt nach den Einschreibungen ist der Ersti-Tag. Viele Studienanfänger_innen versammeln sich zu der Begrüßungsfeier im Audimax. Der Rektor der Ruhr-Universität spricht, die Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz, der Geschäftsführer des Studentenwerks (Akafö) und die Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Zwischendurch gibt es kulturelle Beiträge. Das Spiel sieht normalerweise so aus: Der Rektor und die Oberbürgermeisterin erzählen, warum die Ruhr-Uni und Bochum so toll und warum die neuen Studis so wichtig sind. Die AStA-Vorsitzende weist dann auf die blinden Flecke dieser Inszenierung hin, und darauf, was unbedingt geändert werden muss. Für die OB und den Rektor ist es normal, vor vielen Menschen – auch hier im Audimax – zu reden, für die AStA-Vorsitzende ist es eine einmalige Sache, denn sie wird jedes Jahr aufs Neue gewählt.
Der Allgemeine Studierendenausschuss
Der AStA ist die Vertretung der Studierenden. Jedes Jahr wählen alle Studis das Studierendenparlament und dieses wählt dann den AStA. Es ist ein wenig wie in der Bundes- oder Landespolitik, verschiedene Parteien (hier Listen genannt) bilden eine Koalition. Derzeit besteht die AStA-Koalition aus der Grünen Hochschulgruppe, der Linken Liste, der Liste Schöner Wohnen in Bochum und unabhängigen Linken. Die Opposition besteht aus Hochschulgruppen der Jusos, dem CDU-nahen RCDS, den FDP-nahen Jungen Liberalen, den Piraten und der Liste der Naturwissenschaftler, der Liste der Geisteswissenschaftler und der Gruppe Der Schwarze Ritter ist unbesiegbar.
Der AStA bietet auch Sozial-, Rechts- und Bafög-Beratungen an und betreibt das Kulturcafé, eine Druckerei und einen Copyshop. Außerdem organisiert er kulturelle und politische Veranstaltungen und gibt die Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung (bsz) heraus. Der AStA verhandelt die Bedingungen zum Semesterticket aus und berät die Studis zum Ticket. Er organisiert einen Teil des jährlichen Campusfestes und unterstützt Fachschaften und Initiativen finanziell und organisatorisch in ihrer Arbeit.
Studiengebühren endlich passé
Die neuen Erstis sind die ersten Studis, die wieder ohne Studiengebühren studieren dürfen. Die Abschaffung der Gebühren wurde schwer erkämpft. Zur Einführung der Campusmaut wurde der Senatssaal der Ruhr-Uni von der Polizei geräumt, damit die Einführung der Gebühren durchdrückt werden konnte. Die Abschaffung der Gebühren kostete dann fünf Jahre harte Arbeit. Es wurden unzählige Demonstrationen, dutzende von Veranstaltungen, Vorträgen und Solidaritätspartys organisiert. Im Winter 2009 spitzte sich die Situation immer weiter zu. An vielen Unis in Europa wurden Gebäude besetzt. Der AStA an der Ruhr-Uni organisierte eine Vollversammlung im Hörsaal HZO 10. Auf der Vollversammlung entschlossen sich die Demonstrierenden, das Audimax zu stürmen. Das Audimax platze aus allen Nähten. Die etwa 3.000 Studierenden entschieden sich, das Gebäude zu besetzten. Die Besetzer_innen organisierten Podiumsdiskussionen, politische Vorträge, Kleinkunst und Konzerte. Die Bewegung wurde so groß, dass auch Landes- und Bundestagsabgeordnete der nordrhein-westfälischen Oppositionsparteien kamen und versprachen nach der Landtagswahl die Studiengebühren wieder abzuschaffen. Das Audimax wurde zwei mal von der Polizei geräumt. Nach den Landtagswahlen verlor Schwarz-Gelb seine Mehrheit und die rot-grüne Landesregierung schaffte – mit Hilfe der Linken – die Studiengebühren wieder ab.
Herzensangelegenheiten
Neben der großen Politik gibt es auch viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung auf dem Campus. Jede Woche finden Partys statt, insbesondere im Kulturcafé. Immer zu Beginn eines Semesters werden auch Ersti-Partys organisiert, eine gute Gelegenheit, um neue Menschen kennenzulernen. Schließlich ist der Campus nicht nur ein Ort des Lernens, er ist auch dafür da, neue Dinge auszuprobieren, egal, ob es auf intellektueller Ebene ist, mit mehr oder weniger legalen Substanzen oder im Liebesleben. Unter mehr als 34.000 Studierenden wird man bestimmt ein paar Gleichgesinnte finden und vielleicht sogar die große Liebe, mit einer oder auch mehreren Menschen. Am Ende ist die Ruhr-Uni dann vielleicht gar nicht mehr so hässlich, groß und anonym.
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