Die Frau mit den Dreadlocks ist Petra Engelke. Die gebürtige Bochumerin verließ die Stadt im März 2010. Ihre Dreadlocks hat sie heute hochgesteckt, so dass ihr rasierter Nacken zu sehen ist. Ein pinkfarbenes Armband im Zebraprint ziert ihren Unterarm, und an ihren Ohrläppchen baumeln grün-weiß gestreifte Plastikohrringe. Dazu trägt sie eine stilvolle, aber schlichte Brille. Manchmal gestikuliert sie so ausladend, dass ihr der riesige schwarze Schal ein Stück von den Schultern rutscht, während sie von ihren Reportagen, Filmen und Blog-Geschichten erzählt. Engelke ist Journalistin, ihre Spezialität: Interviews und Popkultur, ihre Stadt: New York. Engelke liest Geschichten auf, die zwischen Skyscrapern und U-Bahn-Linie liegen und nicht nur wir haben ihren Erzählungen zugehört.
High Noon, High Tea, High Life
Tough, ambitioniert und professionell – das sind Charakteristika, die sonst gerne beansprucht werden, um das Standing männlicher Mitbewerber auf dem Arbeitsmarkt zu umreißen. Doch sind es genau die Adjektive, mit denen man versucht ist, Petra Engelkes Auftreten zu beschreiben. Denn während Frauen sowohl im Journalismus als auch im Netz als Minderheit gelten, hat sich eine von ihnen aufgemacht, um ihren ganz persönlichen Big Apple zu pflücken. Gleich zu Beginn des Kulturhauptstadtjahres hat Engelke das Ruhrgebiet verlassen. Seitdem schreibt sie sowohl für deutsche als auch für europäische Magazine und berichtet auf ihrem Blog unter anderem über die Ökokultur, die auf den Dächern New Yorks entsteht. Manchmal geht sie den kulinarischen Eigenheiten der New Yorker Käsekuchenvariationen (ohne Quark) auf den Grund, enträtselt geteerte Street-Art auf Bürgersteigen oder entdeckt versteckte Fensterbotschaften. Sie nimmt sich in einer Stadt der Reizüberflutung die Zeit, genauer hinzuschauen, wo andere wegsehen: „Mit New York assoziieren die meisten Beton, Stahl und Glas und mit dem Ruhrgebiet Kohle und Stahl, aber das stimmt gar nicht. Man findet dort auch viele Parks und es ist überraschend grün. Das ist für mich die Parallele zum Ruhrgebiet.“
Poetry & Printformate
Als Engelke das Ruhrgebiet verließ, hatte sie bereits eine beachtliche journalistische und literarische Karriere hingelegt. Während ihres Studiums (Pädagogik, Psychologie, Kunstgeschichte), begann sie für verschiedene Print-Formate zu schreiben. Sie arbeitete als festangestellte Redakteurin beim Musikmagazin „Visions“, später jahrelang freiberuflich als Chefredakeurin für „Heimatdesign“. Engelke war zudem Stammautorin beim Interviewmagazin „Galore“, für das sie auf der Frankfurter Buchmesse Live-Interview-Marathons organisierte; und wie viele andere schrieb auch sie zu Beginn ihrer Laufbahn für das Stadtmagazin „Marabo“. Später zählte unter anderem die „Financial Times Deutschland“ zu ihren Auftraggebern. Einen Namen machte sie sich darüber hinaus mit Spoken Poetry und Kurzgeschichten. Kurz gesagt: Ihr journalistisches Können war umfassend und fundiert. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wagte sie an der Ostküste der Vereinigten Staaten den Sprung ins kalte Wasser.
Guerilla-Gardening
Aber es lassen sich auch gravierende Unterschiede zwischen ihrer neuen und der alten Heimat finden – nicht nur, was die Mietpreise betrifft. In New York bewohnt sie ein 35 Quadratmeter großes Apartment in Spanish Harlem, für das sie knapp 1700 Dollar Miete zahlt. Das sind Preise, die sie in Bochum auch in den besten Wohnvierteln nicht zahlen müsste. Hatte sie im Ruhrgebiet noch einen viel gelobten Kurzfilm über die Wattenscheider Punkband „Die Kassierer“ gedreht, so arbeitet sie heute an short documentaries – zum Beispiel über Gemüseanbau als Großstadttrend. Sie filmt Freiluft-Farmer auf Hochhausdächern und berichtet über Guerilla-Gardening in ungenutzten Brachgebieten. Mit dieser Doku knackte sie im Web die hunderttausender Klick-Marke und schaffte es bis in die Huffington Post sowie auf die Startseite des Video-Portals Vimeo. „In New York gibt es alles, außer Platz. Nur um den Platz auf dem Dach braucht man sich hier nicht zu streiten.“ Die Frau, die nach New York City ging, scheint in der Stadt mit Platzmangel neben einer eigenen Nische nicht nur den passenden Plot für ihren Film, sondern auch ihre ganz persönliche Pointe gefunden zu haben.
Wer mehr Geschichten über New York und aus Engelkes Kopf hören möchte, kann ihr in dieser Woche persönlich lauschen. Denn die Journalistin kommt für kurze Zeit zurück ins Revier. Am Mittwoch, den 13. Juli macht sie um 20 Uhr Halt in der Eve-Bar. Am Freitag ist sie in Dortmund bei Heimatdesign zu sehen. Egal, ob Spinnen in der U-Bahn oder Regenschirme in der Waschmaschine – für ihre Veranstaltungen bringt Engelke nicht nur jede Menge Bilder, sondern auch ihr eigenes FAQ (Frequently Asked Questions) mit. Eintritt frei!
www.moment-newyork.de
www.vimeo.com/petrinatv
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