Aufgefordert ist die deutsche WM-Auswahl, in jene Gefilde nachzurücken, in welche die Fußballmänner 2006 vorgestoßen waren. Am 23. Juni geht die WM in Deutschland los. Dass Frauen bloß „mindestens so gut wie die Männer“ sein sollen, darum geht es auch im Bochumer Museum noch bis zum 10. Juni.
Barbara Grosses Beitrag zeigt den lebensgroßen Abdruck eines Tornetzes. Auf einem davor ausgelegten Rasen tummeln sich die Beine der Spielerinnen. Einige scheinen zu versuchen, den Ball ins Tor zu treiben, andere stemmen sich vergebens dagegen. Alle tragen Netzstrümpfe. Mit „Netzwerk für Frauen“ ist die Installation übertitelt. Auf einer Plakette erklärt die Künstlerin: Früher trugen Frauen den Brautschleier, hinter dem Hutnetz trieben sie ihr kokettes Spiel. Im Alltag hat sie das Einkaufsnetz begleitet. Vor dem Tornetz könnten Frauen heute endlich ihrer „Kraft und Freude Ausdruck verleihen“, ohne die anderen Netze aufzugeben. Andere Netze?
Frauennetzwerk
Die erste große Welle des Frauenfußballs entstand in Deutschland in den 50er Jahren, mit besonderem Schwerpunkt im Ruhrgebiet. Die Vereine mussten sich in Nischen selbst organisieren, erst recht nachdem der DFB 1955 den Frauenfußball „aus grundsätzlichen Erwägungen“ und „ästhetischen Gründen“ seinen Mitgliedsvereinen einfach verbot. Spielerinnen wurden von Plätzen vertrieben, im Feldzug gegen kickende Frauen und Mädchen wurden auch schonmal Polizeihundertschaften eingesetzt. Erst nach 15 jährigem Kampf und mittlerweile über 150 illegalen, von den Frauen (und ihren Unterstützern) eingefädelten Länderspielen hob der DFB das Verbot dann auf. Nicht zuletzt ökonomische Gründe sorgten für die zumindest rechtliche Gleichstellung. Immerhin war das Interesse am Frauenfußball gestiegen, Konkurrenz-Verbände im selben Geschäft wollte der DFB nicht dulden.
Leistung, Kollektiv, Mannschaft
Damit einher ging dann auch die Durchkapitalisierung des Sports. Die subversive Struktur der Pionierinnenjahre wurde nach und nach verdrängt, der Frauenfußball zum Geschäft gemacht und seiner geschlechterpolitischen Dimension enthoben. Ball und Rubel rollten schließlich auch hier im gleichen Takt. Wettkämpfe unter Frauen gewannen an Bedeutung. Dass die Frauen dabei frühere männliche Fundamentalannahmen über ihre Körper spielerisch widerlegten, sorgte allerdings nicht für eine Neuformulierung geschlechtlicher Identität. In einem in der Bochumer Ausstellung ausgestrahlten Video erzählt eine Oberstufenschülerin von ihrem Weg zum Fußball. Zwischen Vorurteilen und Akzeptanz im „Männersport“ geht es dabei auch immer wieder um Leistung und Gemeinschaftsgefühl, besonders im Erfolgserlebnis.
Leistung sollen schließlich auch „unsere“ Frauen zeigen. „11 Freundinnen sollt ihr sein“ tönt es aus dem den Fußball begleitenden Berichterstatter_innenbetrieb. Die Losung ist klar: Die Frauen sollen mit den Männern gleichziehen. Und zwar im Interesse der Nation. Frau, steh deinen Mann – um dem nationalen Prestige zu dienen, mussten sich Frauen schon immer Männlichkeiten aneignen. Feminines Auftreten stand ihnen in der Konkurrenz mit Männern als Synonym für Passivität, Schwächlichkeit und einem defizitären Körper tendenziell im Weg. Die von Männern ausgehende Abwertung des Femininen wurde sogar in vielen Strömungen der Frauenbewegung übernommen. Frauen und ihre Ausdrücke sowie kulturellen und organisatorischen Gegenentwürfe zu männlicher „Rationalität“, öffentlicher Sphäre und Leistungs- statt Solidarprinzip erlitten auch hier eine anhaltende Marginalisierung. Schließlich mündeten die Versäumnisse in die heute von der Bundesregierung betriebene Politik des Gender Mainstreaming. Chefetage, Alpha-Mädchen, Vereinbarung von Familie und Karriere. Das wirklich Politische ging dabei verloren.
Dorothee Bielfelds Werk frauenkicker zeigt Kickertische mit Puppen, die diverse Vorurteile gegen Frauen thematisieren. Neben vielen Outfits, die dem Fußballspiel im Weg stünden, wird auch die Perspektive ethnisierter Frauen aufgenommen. Schwarze Haut taucht in Kombination mit spärlicher Kleidung auf. Dies steht symbolisch für vermeintliche kulturelle Rückständigkeit als auch für einen sexualisierten Blick auf Women of Colour. Aber auch hier kann Leistung über das „kleine Manko“ hinwegtrösten.
Es bleibt abzuwarten, ob die deutsche Auswahl das vom DFB geforderte Gleichziehen mit den Männern, die Neuauflage von Sommermärchen und drittem Platz bei der Männer-WM 2006, einlösen kann. Bei den Weltmeisterinnenschaften 2003 und 2007 wurden die deutschen Fußballerinnen übrigens: Weltmeisterinnen.
0 comments