Denn die Wissenschaft hat herausgefunden: Wir paaren uns am liebsten mit ArtgenossInnen, deren Genpool im Zusammenspiel mit unseren eigenen Genen die geringste Krankheitswahrscheinlichkeit bei den Kindern ergibt. Dieses „genetische Matching“ funktioniert normalerweise unbewusst über den Geruchssinn. Weil das Beschnuppern aber beim Internet-Dating nicht möglich ist, behauptet G-Match, per Wangenabstrich herausfinden zu können, ob eine Verpartnerung genetisch sinnvoll wäre. Um den Grad des „Matchings“ anzugeben, habe man komplizierteste Parameter erstellt, die sich glücklicherweise in einer Skala von 1 bis 10 abbilden lassen, erklärt Geschäftsführer Reichert in einer TV-Sendung im Bayrischen Rundfunk. G-Match sei die erste Dating-Börse, die auf die biologische Komponente setzt, so die Firma stolz.
Nun gut: Von München gingen schon einmal wichtige Impulse für die deutsche Eugenik aus. Warum sollte das nicht wieder der Fall sein? Die Geschäftsidee des bisher berühmtesten historischen Advokaten der deutschen Genpoolkontrolle fand vor rund 80 Jahren zugegebenermaßen unter gänzlich anderen Vorzeichen statt, brachte aber immerhin einen ganz neuen Wirtschaftsbereich hervor, von dem wir nach wie vor behaupten können, dass wir ihn exklusiv für uns hatten: das industrielle Töten. Und dabei war Hitler nur Kunstmaler und nicht Absolvent einer „Entrepreneurial University“. Wie dem auch sei: Die Idee staatlicher Eugenikprogramme ist im Zuge des deutschen Strebens nach „Rassenhygiene“ nicht nur hier, sondern weltweit unpopulär geworden – auch wenn der Traum von der optimierten Menschheit nie ganz aus den Köpfen verschwunden ist.
Inzwischen, das zeigen uns die NachwuchsunternehmerInnen aus Bayern, braucht es keine staatlichen Programme mehr, um die Idee der heilsbringenden Wirkung einer erbgutbasierten Fortpflanzungsstrategie am Leben zu erhalten. Der Trend geht zur dezentralen Eugenik. „Biologische Partnerwahl“ klingt außerdem total positiv, geradezu grün, so wie „biologisch abbaubar“ oder „aus kontrolliertem Anbau“. Und bei G-Match weiß man natürlich auch, dass wir „nicht das Immunsystem von zukünftigem Nachwuchs im Sinn haben, wenn wir uns zu einem ersten Date verabreden“. Bevölkerungspolitische Hintergedanken scheinen die FirmengründerInnen also nicht zu haben. Mit G-Match soll lediglich die peinliche Stille vermieden werden, die wissenschaftlich erwiesen zwangsläufig aufkommen muss, wenn sich zwei Singles zum ersten Date treffen, deren Erbanlagen nicht gut zusammenpassen. Kennt man ja; unangenehm, so was. Zur Optimierung der Volksgesundheit ist es indes trotz G-Match noch ein langer Weg. Bis Ende des Jahres wolle man 1.000 KundInnen haben, so Geschäftsführer Reichert. Bisher sind es 50.
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