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Proppenvoll war es auch bei der Abschlusskundgebung des Ostermarsch-Sonntags vor dem Bahnhof Langendreer, wo der ehemalige Bochumer Germanistik-Professor Jürgen Link vor doppelt so großem Publikum wie in den Vorjahren einen spannenden Vortrag hielt. Kühl analysierte Link, wie eine sich verselbständigende Kriegslogik von der atomaren „Nachrüstung“ Anfang der 80er zu den gegenwärtigen militärischen Optionen samt „Luftschlägen“ und tausendfachen „Kollateralschäden“ geführt hat. Doch auch wenn zwei Drittel der Bevölkerung den Afghanistan-Krieg ablehnen, machten bei Bundestagswahlen weiterhin etwa 90 Prozent der Wähler_innen ihr Kreuz bei Kriegsparteien.

Normalisierung der Kriegsführung

Insbesondere seit dem Afghanistan-Krieg zeige sich eine verstärkte Normalisierungstendenz der Kriegführung durch die NATO, so Link. Dies bekommt jedoch in der Libyen-Frage nochmal eine ganz neue Dimension. Erstmals greift der Westen, der das totalitäre Gaddhafi-Regime seit 2004 strategisch unterstützt hat, militärisch in einem Land ein, dem eine Schlüsselposition bei der Sicherung der kontinentalen Außengrenzen der ‚Festung Europa‘ zukommt. Frei nach dem Motto: Wenn eine Diktatur als Puffer zwischen Nord und Süd ausgedient hat, ist Krieg eine realpolitische Option zur Sicherung der EU-Außengrenzen.

Geheuchelte Humanität

Insbesondere zeigte Jürgen Link anhand des Afghanistan-Krieges, wie vorgeschobene Humanität dabei als Deckmantel zur Verhüllung brutaler geostrategischer Interessen („Deutschland am Hindukusch verteidigen“) dient. So werde ein insbesondere die Frauenrechte in den Fokus stellender Humanismus machtpolitisch instrumentalisiert, um innerhalb der Bevölkerung Symphatien dafür zu schaffen, das Land mit militärischen Mitteln zu „befreien“. Am Beispiel Afghanistan machte Jürgen Link auch deutlich, wie durch von den Mainstream-Medien weitgehend kritiklos kolportierte Politiker_innen-Diktion eine schrittweise Normalisierung der Kriegsführung in der öffentlichen Wahrnehmung generiert wird und wurde. Hierbei zog er eine Linie vom „NATO-Doppelbeschluss“ zur Stationierung atomar bestückter Mittelstreckenraketen in Europa Anfang der 80er Jahre bis heute.

Rüstung als „Modernisierung“

Bereits zuvor hatte Martin Budich vom Bochumer Friedensplenum kritisiert, dass sich in den letzten drei Jahrzehnten deutliche Änderungen in den medial verbreiteten politischen Redeweisen über den militärischen Sektor vollzogen haben. So sei eine verharmlosende diskursive Verschiebung zu konstatieren: Wurde Rüstung bereits vor 30 Jahren als „Nachrüstung“ verharmlost, ist nunmehr gar von „Modernisierung“ die Rede, wenngleich eigentlich „Aufrüstung“ gemeint ist.

Weltjunta

Dies geht laut Jürgen Link einher mit dem Bestreben, eine vermeintliche Normalisierung der Kriegführung unter dem Deckmantel einer angeblichen „Übernahme von Verantwortung“ suggestiv voranzutreiben. So wird bereits seit der Amtszeit des ehemaligen deutschen Außenministers Klaus Kinkel Anfang der 90er Jahre ein ständiger Sitz der Bundesrepublik im UN-Sicherheitsrat angestrebt. Letztlich gehe es, so Jürgen Link, vielmehr sogar um eine dauerhafte Verankerung Deutschlands im Kreise einer bislang im wesentlichen aus den USA, England und Frankreich bestehenden „Weltjunta“ der militärisch potentesten NATO-Länder. Dies dürfte in einem Land, dessen Friedensbewegung gerade eine lange erhoffte Renaissance erfährt, nicht ohne weiteres durchsetzbar sein.

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