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Handelt es sich also um Abzocke Leichtgläubiger mit Unterstützung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bochum? Fest steht jedenfalls: Die IHK unterstützt das Künstlerhaus als ein zukünftiges Aushängeschild der Bochumer Kreativwirtschaft. Im Vordergrund steht dabei vor allem erfolgreiches Stadtmarketing: Hier sollen Kunstschaffende in einem Atelierkomplex angesiedelt werden, um einen Stadtteil attraktiver zu machen. Vorrangig geht es bei dem Engagement also weniger um Kunst- als vielmehr um Wirtschaftsförderung.

Kuriositäten der Kreativwirtschaft

Vielleicht ist gerade diese Verquickung von Kunst und Kommerz die Erklärung dafür, dass ein derart geschäftstüchtiges Allroundtalent wie Harald K. Markus eine der Eröffnungsausstellungen übernehmen kann. Sein Konzept dürfte jedenfalls KritikerInnen von Psycho-Scharlatanerie hellhörig werden lassen: Zu jedem seiner Bilder werden drei Hypnosesitzungen durchgeführt. Ein Kauf ohne Hypnose sei zwar möglich, entspreche aber nicht seiner Absicht, so der Künstler. „Je mehr man nach den Nachteilen von hypnoART sucht, desto leichter fällt es gleichzeitig, die Vorteile von hypnoART zu sehen“, schreibt er und lässt seine LeserInnenschaft mit der Frage zurück, ob diese logikfreie Argumentation bereits Teil der Hypnose sein soll. Markus vermarktet seine Bilder darüber hinaus offensiv als „sichere Kapitalanlage“ und setzt damit zusätzlich auf die Angst vor Wirtschaftskrisen.
Die Geschäftstüchtigkeit kommt nicht von ungefähr: Nach über 20 Jahren in der freien Wirtschaft hat Harald K. Markus nach eigenen Angaben 1995 seine Berufung gefunden. Deswegen ließ er sich in der Schweiz in „angewandter Psychologie“ ausbilden und in Essen zum Heilpraktiker. Nun betreibt er seit dem Jahr 2000 eine private Praxis als Hypnosetherapeut in Bochum. Seit vergangenem Jahr widmet er sich verstärkt der Malerei und verbindet diese mit Hypnose. Auf seiner Internetseite wirbt der künstlerisch aktive Heilpraktiker außerdem für allerlei Angebote, die Wundersames versprechen: Live-Hypnose via Skype, Abnehmen ohne Diät und rauchfrei sein innerhalb nur einer einzigen Stunde – Nachbetreuung inklusive. Aber wieso denn überhaupt nachbetreuen, wenn die Erfolgsquote gemäß Selbstauskunft angeblich bei 95 Prozent liegt? Markus verspricht zudem, das Verhalten gegenüber Rauchenden werde dank seiner Hypnose „gelassener und ohne Abneigung sein“. Unabdingbare Voraussetzung für eine Behandlung bei ihm sei allerdings die Entscheidung, nicht mehr rauchen zu wollen. Damit setzt er jedoch das voraus, was die meisten Menschen hoffen, mithilfe einer Behandlung zu erreichen.

Seriös ist anders

Er distanziert sich zwar vordergründig von unseriöser Show-Hypnose, überschreitet jedoch selbst beizeiten die Grenzen der Seriösität. Die Argumentationsweise des geschäftstüchtigen Künstlers ist geprägt von vollmundigen Versprechen und überschwänglicher Selbstinszenierung. Streckenweise preist er seine Arbeit ausgesprochen distanzlos an und verliert sich bei der ganzen Lobhudelei in einem wenig selbstkritischen rhetorischen Stil.
Zumindest gemäß der Wissenschaftlichkeitsklausel des Psychotherapeutengesetzes gelten die von Markus benutzten Verfahren keinesfalls als wissenschaftlich anerkannt. Der Paragraph soll Auskunft über die Qualität der angebotenen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden geben und definiert ganz klar, welche Methoden in der therapeutischen Praxis anerkannt werden dürfen und welche nicht.
Dabei sind Techniken der Hypnose selbst wissenschaftlich gut untersucht. Beim Hypnotisieren wird das Bewusstsein mit monotonen Tätigkeiten beschäftigt, die wenig Aufmerksamkeit der Person erfordern. Dazu eignen sich vor allem Wiederholungen. Eine zentrale Voraussetzung für Hypnose ist, dass der Proband oder die Probandin gewillt sein muss, eine „gute Versuchsperson“ zu sein. Dabei ist das Ziel, die eingreifende Kritikfunktion des Bewusstseins zu umgehen. Dann erst kann der Versuchsperson über den Umweg des Unterbewusstseins etwas suggeriert werden. Der medizinische Einsatz von Hypnose in der Psychotherapie ist gesetzlich geregelt. Diese Leistung wird von den deutschen Krankenkassen anerkannt und als Ergänzung zu vielen herkömmlichen Methoden eingesetzt. Das trifft für die Methode, mit der Markus arbeitet, jedoch nicht zu.
Laut Gesetz betreibt Markus also eine Hypnosepraxis, die außerhalb der anerkannten Heilkunde einzuordnen ist. Indem er des Weiteren sagt, er sehe in der Nachbetreuung seiner Kundschaft „das Fundament für eine jahrelange Freundschaft“, verwischt er auf gefährliche Weise Grenzen, die im Rahmen einer professionellen Therapie nicht überschritten werden dürfen. Nimmt er dieses Versprechen ernst, verstößt er sogar gegen einen zentralen Grundsatz der therapeutischen Ethik. Ohne entsprechende Ausbildung bietet er darüber hinaus Schwangerschaftsbegleitung an und verleiht seiner Praxis beim Online-Gesundheitsportal Jameda den Titel der „Sozialen Beratungsstelle“. Auf seiner Homepage erklärt er überdies zur Untermauerung seiner Seriösität, man finde ihn nicht in Funk und Fernsehen. Er bevorzuge stattdessen vertrauliche Beratung. An anderer Stelle wirbt er mit einem höchst affirmativen und unkritischen Radiobeitrag über sich selbst. Dieser stammt von eldorado, dem Dortmunder Studierendenradio. Auf seiner Webseite findet sich zudem ein Werbefilm im Heimvideo-Stil, dessen Produktion von hmbo-tv übernommen wurde. Inhaber dieser Firma ist Harald K. Markus selbst.

Künstlerhaus: „Wir sind auch ein Wirtschaftsunternehmen.“

Etwas komisch sei ihr das Geschäftsmodell des „Hypno-Doc“ schon vorgekommen, sagt die Geschäftsführerin des Künstlerhauses Martina Murgia. Dennoch ist es für sie kein Grund, ihm keine Wandflächen für eine Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Markus sei auf sie zugekommen. Da das Künstlerhaus auch wirtschaftliches Unternehmen sei, werde sie ihm gestatten einen Monat lang seine Bilder auszustellen. Hypnosesitzungen im Künstlerhaus selbst schließt Murgia jedoch aus. Vor der Ausstellung werde allerdings ein persönliches Gespräch mit Harald K. Markus stattfinden.
Sowohl das Künstlerhaus als auch die Kunstschaffenden, die im Arts längerfristig Räume anmieten wollen, müssen sich durchaus die Frage gefallen lassen, ob dies das Bild ist, das sie von der „Kreativwirtschaft“ in Bochum zeichnen wollen.

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