Es hätte verwundert, wäre er nicht mit dem Skateboard zum diesjährigen bsz-Gespräch im Café Zacher erschienen. Guy Dermosessian zeigt sich bester Laune an diesem Sonnentag Ende April. Das Paket ist geschnürt. Ungleich größer fällt das Angebot in diesem Jahr aus, als noch beim ersten Bochumer Rundlauf (bsz 827). Waren es damals acht Veranstaltungen, so wartet das Programm nunmehr mit siebenundzwanzig Events auf. Ansonsten ist alles beim Alten geblieben: Die Grundidee bleibt, abseits des Konzepts des städtischen Festivals und aus einer Initiative aktiver Künstler einen Platz für Kunst jeglicher Art im offenen Raum zu schaffen. In diesem Sinne stellt der Rundlauf zum einen die Vereinigung unterschiedlichster Kunstformen und zum anderen ungewöhnlicher Veranstaltungsorte dar.
Plattform der Eigeninitiative
„Wie sieht es nach dem Kulturhauptstadtjahr aus in der ansässigen Kulturszene?“, fragt Dermosessian und liefert die Antwort gleich mit. Die Begeisterung sei übriggeblieben, die freie Szene enger zusammengewachsen. „Der Rundlauf war die erste Plattform, Eigeninitiative zu ergreifen, besonders da von der Stadt nicht viel zu erwarten war.“ – Wir erinnern uns: Während die Verantwortlichen ihre Verantwortung an sogenannte Kulturmanager abgaben und auf kostspielige Prestigeprojekte setzten, wurde die ansässige Szene mit Brotkrumen abgespeist. Dermosessian hingegen nahm das offiziell propagierte Konzept der Kulturhauptstadt ernst. „Die Basis war ja da. Es ging nicht darum, das Rad neu zu erfinden, sondern das Bestehende zu bündeln und zu präsentieren.“ Das ist ihm soweit gelungen, auch wenn es ihn nervt, dass heute alle nur noch vom Kreativquartier Ehrenfeld sprechen. „Die ansässige Szene ist mehr als das Ehrenfeld.“ Eine Aussage von dessen Gültigkeit sich die BesucherInnen am 30. April und 1. Mai überzeugen können.
Discobewegung & Freie Szene
Bei dem fulminanten Programm dürfte es in diesem Jahr schwierig werden, den Überblick zwischen Vernissage, Theater, Videoslam und Party zu behalten. Der Veranstalter nennt einige Highlights. Am Samstag, den 30. April werden The Homewreckers zusammen mit Soulsänger Dennis Legree aus New York im Katholikentagsbahnhof (Rotunde) ihr neues Album vorstellen. Davor wird Finn Johannsen (De:Bug, Groove) Texte zum Thema Discobewegung und Freie Szene präsentieren. Um 23 Uhr endet der erste Rundlauftag mit einer gewaltigen Tanzparty: Funkloch präsentiert D*ruffalo Hit Spuad. (Anmerkung: „D*ruffalo“ heißt das Blog von Finn Johannsen.) Mit viel Verve geht es in den zweiten Tag. Ab 14 Uhr finden offene Vernissagen im FKT, der Chrom Galerie und der Rottstrasse 5 Galerie statt. Um 16 Uhr lesen Benjamin Karlic und Raymond Dudzinski aus „Figaro 22“ im Rottstr5Theater. Um 17 Uhr wird Thorsten Dzierma (Streetwear today) aus „zzzzzzzisch/freiheitsdrang“ im Random-Store lesen. „Thorsten hat mir vorab zwei Seiten seines Textes geschickt. Ich habe auf dem Boden gelegen“, frohlockt Dermosessian. Ein besonderer Höhepunkt dürfte das Live-Painting der beiden YingYangYungs-Jungs in der Rotunde werden, an dem sich auch die Bochumer Künstlerin Stefanie Levers beteiligen wird. Der Illustratorin, deren Werke zum Präsenzbestand der Chrom Galerie gehören, gelingt eine ganz eigenwillige Interpretation von Streetart in Anlehnung an ihre Vorbilder Shepard Fairey und BO 130. Improvisation heißt das Zauberwort, unter dem das Event rangiert. „Doch aufgrund der Location werden keine Dosen geschwungen“, scherzt Dermosessian.
Ja, es wird spannend werden, wenn einmal mehr die BesucherInnen entlang der Kulturachse Viktoriastraße von Location zu Location wandern und dabei die ansässige Szene in geballter Form kennenlernen werden. Dass der Rundlauf auch in diesem Jahr ohne städtische Unterstützung realisiert werden konnte, ist vor allem dem Organisationstalent und Enthusiasmus Dermosessians geschuldet. Dank des Rundlaufes ist die Szene näher zusammengerückt. Das wird Früchte tragen. Ganz gleich, ob sich der städtische Kulturdezernent in diesem Jahr blicken lässt oder nicht. Kunst geht auch ohne Stadt, nur andersrum dürfte es schwierig werden.
Es ist spät geworden an diesem Apriltag im Café Zacher. Dermosessian könnte noch Stunden weitererzählen über Vernetzung, Streetart und Projektmanagement. Doch leider ist der Printraum begrenzt. Vielleicht noch ein paar letzte Worte? – „Der Vorverkauf hat begonnen.“
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