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Es ist vielmehr Resignation, die sich breit macht. Mit dem Künstler Jed Martin schafft sich Houellebecq ein Alter Ego in jungen Jahren. Martin, aus gutem Hause, nicht reich, aber auch nicht wirklich arm dran, treibt ambitionslos durchs Leben, bis er, eher durch Zufall, mit Fotografien von Landkarten aus dem Hause Michelin das erste Mal berühmt wird. Ohne wirkliches Interesse an irgendetwas und mit einer zerbrochenen Familiengeschichte im Rücken streift Martin so ziemlich alle aus Houellebecqs Werk bekannten Sujets: Tod, Antriebslosigkeit und generell der Unsinn von Leben und Reproduktion in der verwalteten Welt im Speziellen sowie im ganz Allgemeinen. Allein beim Sex findet eine Verschiebung statt: Anstelle des in „Ausweitung der Kampfzone“ und „Elementarteilchen“ im Vordergrund stehenden Problems, trotz individuellen ökonomischen Wohlstands keinen Sex zu haben bzw. damit auch nicht glücklich zu werden, hat Jed Martin einfach kein Interesse daran. Seine Olga, blond und mit langen Beinen – also gemeinhin das, was in Hochglanzmagazinen als Männertraum verkauft wird – verschmäht er. Nicht zugunsten von Geld, Karriere oder einer Anderen, sondern weil er es im richtigen Moment verschlafen hat, ihr zu sagen, dass sie bleiben soll und er sich danach nicht mehr meldet.

Altern als Verfall

Darin kann man getrost die Probleme gut situierter Männer mittleren Alters sehen, die nur wenig Sympathie bei den LeserInnen wecken und bestenfalls bemitleidenswert, schlimmstenfalls auch abstoßend wirken. Houellebecq sieht das vermutlich ähnlich. Er lässt sein junges Alter Ego im Roman auf den gealterten Houellebecq treffen. Der wohnt, wie der Echte, in einem Nirgendwo in Irland und verlässt zudem nie das Haus, um einfach mehr oder weniger schreibend und trinkend vor sich hinzuvegetieren. Ein zaghaftes Aufblühen in Folge der Auseinandersetzung mit der eigenen Familie bringt für beide keine Erlösung. Houelle­becq wird ermordet und auch Martin bleibt das Glück versagt.

Küchentischgeschichte

Die individuelle Misere bettet Houellebecq ein in eine resignative Malerei der spätkapitalistischen westlichen Moderne. Nachdem er Sex als glücksbringende Exit-Strategie in den vier Vorgängerromanen gründlich demontiert hat, erteilt der Kulturpessimist auch der Kunst als Ausweg eine Absage. Erfolg hat Martin als Werbevehikel für Michelin, indem er die Fotos von deren Landkarten letztlich nur verkaufen kann, weil der Konzern sich einen Imagegewinn erhofft und ihn deswegen in Person von Olga unterstützt. Was übrig bleibt, ist das Gefühl, trotz allen Erfolges nur Belangloses geschaffen zu haben. Warum soll man ehrgeizig, erfolgreich, strebsam sein und viele soziale Kontakte haben, wenn man letztlich nur für den Markt schafft, und auch nicht mehr Selbstverwirklichung findet als beim Rotweinsaufen in seinen Schlafklamotten zu Hause? Die Ausflüge in Küchentisch-Geopolitik, die Houellebecq mit den Szenarien eines ökonomischen Niedergangs des Westens und denen des Aufstiegs Chinas und Russlands zeichnet, wirken dabei so oberflächlich wie konservativ-reaktionäre Szenarien vom Untergang des Abendlandes. Vielleicht sind sie das streckenweise auch. Im Gegensatz zu rechten AngstbeißerInnen, die Furcht vor dem Schwinden ihrer kollektiven Stärke haben, findet Houellebecqs Jed Martin die Aussicht aber gar nicht schlimm, dass Frankreich in Zukunft wesentlich von Tourismus aus China und Russland leben wird. Glück ist unmöglich – sowohl im guten alten Industrie-Europa des zwanzigstens Jahrhunderts als auch für den zukünftigen Künstler, der den dahingemordeten Schriftsteller überlebt. „Karte und Gebiet“ ist ganz klar Houellebecq, mit einem Unterschied: Die Boshaftigkeit ist der Resignation gewichen.

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