Die Mode heißt Protest. Naja, nicht wirklich Protest. Nach Gorleben fahren ja nur diese stinkenden Langhaarigen. Die Jugendlichen aus der gehobenen Mittelschicht demonstrieren heutzutage intellektuell. Da wäre zunächst dieser offene Brief, den Uns Judith an die Werbeagentur der Bild-Zeitung geschickt hat. Besagte Agentur wollte Wir Sind Helden für eine Werbekampagne engagieren. Daraufhin schrieb die Judith eine bitterböse Absage, die im Friseursalon… äähhh… auf Facebook für ordentliches Aufsehen gesorgt hat. Kritik an der Bild-Zeitung? Hui, da traut sich aber jemand was. Nach Günter Grass, Heinrich Böll, Günter Wallraff, der gesamten taz-Redaktion und allen 68ern. Naja, zumindest die Wut war ehrlich. Das Problem: Indem die Werbeagentur in dem Duktus einer empörten 14-jährigen angeschrien wird, kommen selbst die Kommentare auf DerWesten.de lässiger daher. Außerdem hat Frau Holfelder mit „Ich glaub, es hackt“ einen meiner Lieblingssprüche mit einem Schlag uncool gemacht.
Der neuste Coup: die Gestaltung des Videoclips zur aktuellen Single „Alles auf Anfang“ wurde den Globalisierungskritikern von Attac überlassen. Das dergestalt produzierte Video besteht nun aus Berliner Alltagsszenen, in denen die Menschen mit Sprechblasen versehen wurden. In diesen stehen so aufrüttelnde Phrasen wie „Wer wenn nicht wir?“ und „Du stehst nicht im Stau, du bist der Stau.“ Tiefschürfend, nicht wahr? Ganz am Ende wird dann zum antiautoritären Girokontowechsel aufgerufen.
Es ist schon bemerkenswert, wie leicht es Wir Sind Helden mit ihrer Protestelei gelingt, der Revolution sämtliche Intensität auszusaugen. Jahrzehnte von glorreichem, selbstzerstörerischem Rock ‘n‘ Roll („Fuck the System!“) werden reduziert – auf die Behaglichkeit des Küchentisches mit einem Becher Rooibos-Tee. Aber was sind das denn überhaupt für Jutebeutel-statt-Plastiktüten-Anarchisten? Naja, neben Bochum-Ehrenfeld scheinen gerade die Universitäten eine der Brutstätten für diese Bionade-Biedermeier zu sein. Denn nur Studierende besitzen die Zeit, das Geld und die Arroganz, Autofahrer für schlechte Menschen zu halten. Mit der Fair-Trade-Nutella wird dann auch gleich die offizielle Auszeichnung zum Weltretter gekauft.
Und jetzt? Politisches Engagement für eine heile Welt ist doch eigentlich eine gute Sache? Oder? Ja, verdammt, das ist es. Soziale Gerechtigkeit, eine grüne Umwelt und ein Land ohne Bildzeitung – das alles und noch vieles mehr sind Dinge, für die es sich wirklich zu kämpfen lohnt. Aber es wäre schön, wenn die Proponenten dieser Ideen nicht so täten, als würden ihre Fürze besser riechen als die der anderen. Und wenn ihr es ernst damit meint: Lest doch bitte ein Buch statt nur das Booklet eures Lieblingspopsongs.
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