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Von 19 Uhr bis Mitternacht: ein Underground-Paradies für Schnäppchenjäger_innen und Kulturliebhaber_innen. Dazu spielen auf der Bühne lokale Kleinkunstgrößen wie Katrins Gitarre. Es wird getanzt in der U-Bahn-Station. Lange Warteschlangen haben sich entlang der Hattinger Straße Ecke Schauspielhaus gebildet. Unter ihnen ist auch der Fluxuskünstler Matthias Schamp. Wie immer sprudelt er über vor kreativen Ideen: „Wir laufen einfach eine Haltestelle zurück und fahren mit der U-Bahn direkt ins Zentrum.“ Alle wollen nach unten, denn dort hat sich auf Ebene zwei zwischen den Flohmarktständen ein rauschendes Fest entwickelt. Die Stimmung könnte nicht besser sein, als Lindy Hopper die kleine Bühne betritt. Im Anschluss erfolgt der „Gleiswechsel“, mit dem sinnigen Untertitel „Vom U-Bahn-Gleis zum Kulturgleis“ in der Rotunde, unter anderem mit den DJs Bene von Randow und dem Gärtner der Lüste. Mit viel Verve gleitet der Freitag in den Samstag. Viele Läden haben im Viertel ihre Türen geöffnet und präsentieren sich dem umherschweifenden Partyvolk mit ihren Projekten. Vor der Chrom-Gallery haben Beobachter ein zweites Zentrum der Party ausgemacht, bei Twitter schwillt der Traffic an.

Hausgemachte Nachhaltigkeit

Nach den offiziellen Flops der Ruhr.2010 erweisen sich die lokalen Kulturkonzepte im Jahr danach als nachhaltiger. Mit meist nichtsubventionierten Aktionen, die im Windschatten der sogenannten Leuchtturmprojekte entstanden sind, präsentiert sich die ehemalige Kulturhauptstadt äußerst lebendig bei leeren Kassen dank Eigeninitiative der hiesigen Szene. Im Mai stehen gleich zwei Kulturfestivals rund um das Ehrenfeld an. Auftakt macht am 30. April der zweite Bochumer Rundlauf mit einem breitgefächerten Angebot von Theater über Musik bis Vernissage. In der Rotunde wird Finn Johannsen aus „Disco“ lesen, einen Tag später erfolgt dort eine Klanginstallation von Daniel Dominguez. Die Veranstaltungsorte reichen von Random bis zum Rottstr5Theater. Wieder dabei: das Freie Kunst Territorium, diesmal mit neuem Standort an der Bessemerstraße 30. Der Bochumer Rundlauf geht weit über das Ehrenfeld hinaus, wie Veranstalter Guy Dermossian betont. Man dürfe wegen des gegenwärtigen Hypes nicht die anderen Stadtviertel vergessen. Als der DJ vor dreieinhalb Jahren im Ruhrgebiet ankam, fiel ihm die Vielfalt der Bochumer Kulturszene auf. Bald machte er sich daran, die unterschiedlichen KünstlerInnen zu vernetzen und ihre Arbeiten in angesagten Szene-Locations zu präsentieren. Mittlerweile würde sich Dermossian mehr Aufmerksamkeit für Bochum-Hamme wünschen. „Während hier gefeiert wird, geht dort alles vor die Hunde.“

Knotenpunkte der Vernetzung

Dass dem Ehrenfeld so viel Ehre zuteil wird, liegt sicherlich auch an der günstigen Lage des Viertels. Zwischen Schauspielhaus und Bermuda3eck liegt es in der Einflugschneise der Kulturachse Viktoriastraße (entlang des imaginären Musikhauses), die direkt zum Rottstr5Theater führt, das wiederrum mit seiner Aktion „Kulturhauptstraße Rott.2011“ eine ganz eigene kulturelle Regionalpolitik betreibt. Ein zweiter Punkt für das Ehrenfeld ist sicherlich die immer häufiger frequentierte Rotunde. Der ans Viertel angrenzende ehemalige Katholikentagsbahnhof hat sich allmählich als Location etabliert. So auch für das zweite Mai-Festival „N.A.T.U.R. – Natürliche Ästhetik trifft urbanen Raum”, das vom 13. Mai neun Tage lang mit Ausstellungen, Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen den öffentlichen Raum ausloten will. Besonders zu empfehlen ist der Workshop des Architekten Christoph Jaenicke, der mit den TeilnehmerInnen an der Neugestaltung des Tana-Schanzara-Platzes arbeiten wird. „Im Zentrum des Festivals stehen das Lebensumfeld und die Partizipation“, so der Veranstalter Kevin Kuhn, Studierender an der RUB, der mit seiner Agentur „Feel Vergnügen“ bereits einige Parties und Aktionen gemeistert hat. Bis auf die Parties am Abend ist der Eintritt frei. Keine Frage, auch im Mai wird es entlang der Kulturachse rund gehen. Auch ohne Konzerthaus.

Mai-Festivals

Bochumer Rundlauf
Guy Dermossian fasst wieder Kunst, Theater und Musik zu einem vielfältigen Programm zusammen – die Innenstadt brummt.
30. April – 1. Mai
www.rundlauf-bochum.de

N.A.T.U.R.-Festival
In der Rotunde: Natürliche Ästhetik trifft urbanen Raum – mit Workshops.
13. – 21. Mai
www.natur-festival.de

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