Uli Seifert, Abteilungsleiter für Kultur und Internationales, skizziert im bsz-Gespräch die Boskop-Geschichte und erläutert, wie die Kulturoperative im Geburtsjahr 1986 Licht ins kulturelle Campusdunkel brachte.
bsz: Uli, wie würdest Du die wichtigsten Eckpunkte der Gründungsgeschichte von Boskop umreißen?
Uli Seifert: Im Zuge der politischen Polarisierung Ende der 70er lebte eine vielzitierte Parole der ´68er wieder auf: „Kultur ist Krampf im Klassenkampf.“ Eine solche tendenziell kulturfeindliche Stimmung führte Anfang der 80er auf dem Campus der Ruhr-Universität zu einem Exodus vieler freier Kulturgruppen – so verließ damals etwa die Theatergruppe Nausea die RUB und wechselte in einen semiprofessionellen Status. Einen Gegenakzent zu dieser auch an anderen Unis wahrzunehmenden Entwicklung versuchte der in Bonn ansässige Bundesverband für studentische Kulturarbeit (BSK) zu setzen, dessen Mitglieder sich für eine Stärkung der Kultur an den Hochschulen starkmachten. Daraufhin brachte das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft eine Evaluierung der studentischen Kulturarbeit an den Hochschulen auf den Weg, mit der das Deutsche Studentenwerk (DSW) beauftragt wurde. Das DSW schlug 1983 fünf Modellversuche vor, von denen drei realisiert wurden – eines davon in Bochum. Zum Sommersemester 1986 konnte die „Bochumer studentische Kulturoperative“ dann endlich an den Start gehen.
Hierbei war es immer wichtig, studentische Kultur nicht nur anzuregen und zu fördern, sondern auch zu präsentieren – so zum Beispiel schon im Gründungsjahr auf dem Uni-Ball sowie auf dem Uni-Sommerfest. Später entstand daraus die Boskop-Show. Aber wir waren auch außerhalb des Campus aktiv: So haben wir 1987 beim Streik in Rheinhausen mit einer Bigband für die streikenden Stahlarbeiter gespielt und 1988 Soli-Konzerte für Opelaner im Arbeitskampf organisiert. Auch die Besetzung des Heussner-Viertels unterstützten wir solidarisch mit Bandauftritten.1 Kultur hatte immer auch den Anspruch, sich in die politische Entwicklung einzumischen. Durch die Verknüpfung kultureller Darbietungen mit politischen Diskussionen trat hierbei auch zunehmend der Aspekt der Internationalisierung in den Vordergrund.
Wie hast Du den Campus Mitte der 80er Jahre erlebt und wie hat er sich seitdem in Deiner Wahrnehmung kulturell verändert?
Abgesehen vom bereits bestehenden Uni-Chor und -Orchester sowie dem übrigen Kulturangebot im Musischen Zentrum präsentierte sich der Betoncampus der RUB damals weitgehend als kulturelle Wüste. Boskop konzentrierte sich anfangs vor allem auf Bereiche, die im MZ nicht abgedeckt wurden. Da wir dort damals nicht reinkamen, mussten wir unsere Theateraufführungen im Hörsaal stattfinden lassen. Im Musikbereich boten wir erstmals Angebote im Bereich Rock, Pop und Jazz an, die vor dem Boskop-Start völlig fehlten. Proben mussten allerdings in Räumen außerhalb des Campus stattfinden. Es ist uns leider nie gelungen, die Garage des Rektor-Wagens zu bekommen… Auf dem RUB-Campus unterstützten wir 1989 die Besetzung des Gebäudes MB2 mit Party-Support und Video-Abenden. Zudem arbeiteten wir eng mit den ASten der Ruhr-Uni sowie der Fachhochschule Bochum zusammen. Eines der Ergebnisse der guten Zusammenarbeit mit dem RUB-AStA war die Entstehung des KulturCafés, das 1997 eröffnet wurde.
Was wäre anders, wenn die Boskop-Geschichte im Jahr 2011 beginnen würde? Würde das Projekt einer „studentischen Kulturoperative“ heute eine ähnliche Unterstützung erfahren?
Wir hatten das Glück, Anfang der ´80er in eine für den Kulturbereich günstige Phase reinzukommen, was die institutionelle Unterstützung angeht. Heute wäre Ähnliches allein wegen der zugespitzten Finanzlage kaum mehr denkbar. Zudem gibt es an den Unis keinen vergleichbaren Leidensdruck der Betroffenen mehr, nachdem sich das Kulturangebot an den Hochschulen vielfach deutlich verbessert hat. Auch der Blick auf Kultur, die nunmehr eher als vor allem auf Sponsoring basierendes Marketingsegment betrachtet wird, hat sich verändert. In Bochum ist es uns inzwischen gelungen, die Stadt als dauerhafte Unterstützerin zu gewinnen.
Wie schätzt Du die Zukunftsperspektiven von Boskop institutionell wie (kultur-)politisch ein?
Die Zeiten verändern sich. Doch ein Motto bei Boskop war immer: Fördern, was es schwer hat, und wenn beispielsweise wie aktuell „Jüdische Kulturtage“ anstehen, dann steht es den Hochschulen gut an, sich mit einer Präsentation zu beteiligen. Und eine Partnerschaft mit tunesischen Studentenwerken mit kulturellem Austausch oder die Mitarbeit einer chinesischen Trainee, die hilft, die chinesischen Studierenden mehr in das Campusleben zu integrieren, sind sicherlich heutzutage nicht ganz unpolitisch. Die RUB kann heute hinsichtlich ihrer Campuskultur durchaus auch bundesweit als Highlight bezeichnet werden, und mit dem von Boskop mit initiierten überregional renommierten Internationalen Videofestival sowie dem Theaterfestival megaFON konnte sich Bochum kulturell als „UniverCity“ profilieren. Aber wenn im Zuge der Campussanierung beispielsweise das Musische Zentrum zur Disposition gestellt werden sollte, wird sich Boskop natürlich dafür einsetzen, dass die Campuskultur nicht nur institutionell vertreten bleibt, sondern auch baulich angemessen untergebracht wird.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Ulrich Schröder.
1 Das Heussner-Viertel war ein Sanierungsgebiet in Bochum und wurde nach jahrelanger Besetzung durch zeitweise etwa 300 Aktivist_innen im November 1986 polizeilich geräumt und fast vollständig abgerissen. In einem stehengebliebenen Haus ist heute das Kulturzentrum Thealozzi zuhause.
2 Das Uni-Gebäude MB war (neben MC) ursprünglich als Uni-Krankenhaus geplant und wurde Mitte der ´90er Jahre privatisiert, nachdem sich eine Nutzung als Studierendenwohnheim nicht durchsetzen ließ.
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