Was in China gerne mit „Halle der inneren Harmonie“ umschrieben wird, heißt in diesen Breitengraden in der Regel Toilette, abgeleitet vom französischen „toile“, dem Tuch zum Abschirmen der Notdurft vor fremden Blicken. Die Kulturgeschichte der Toilette ist alt. So gab es ausgebaute Abortanlangen beispielsweise bereits um 2800 vor unserer Zeitrechnung in Mesopotamien. Es darf vermutet werden, dass die Trennung zwischen öffentlichen und privaten Toiletten ähnlich weit zurückreicht. Belegt ist, dass es zur Regierungszeit des Kaisers Diokletian (284 – 305 n.u.Z.) ungefähr 150 öffentliche Bedürfnisanstalten in der Stadt Rom gab. Mit der Völkerwanderung gingen diese zivilisatorischen Errungenschaften für viele Jahrhunderte verloren. Ähnliches ist nun auch auf dem Campus der RUB geschehen. Doch wo damals ganze Völker wandern mussten, genügt heutzutage der Umzug eines Amtes, um mittelalterliche Zustände zu revitalisieren.
Langsam liefen die Rohre zu
Zur Vorgeschichte: Zwei Momente, die für dieses Thema von anhaltender Bedeutung sind, fallen beinah zeitgleich zusammen. Zum einen bezog das Bäfög-Amt im Sommersemester seine neuen Räume im Studierendenhaus und nutzt seitdem dort auch die sanitäre Infrastruktur. Zum anderen kollabierten – hiervon kausal unabhängig – die Toiletten vor dem Kulturcafé. Der Schaden ist immens. Die Rohre sind geplatzt, ihr Inhalt lief in die Wände. Die notwendige Komplettsanierung würde 125.000 Euro kosten. 80 Prozent würde das Bau- und Liegenschaftsamt übernehmen, 20 Prozent der AStA. (Nach den jüngsten Verhandlungen mit dem Kanzler müsste der AStA nur noch 20 Prozent von den 20 Prozent übernehmen.) Nun sind Verwaltung und BLB leider nicht die Schnellsten in Sachen sanitärer Krisenintervention. So kommt es, dass die besagten Toiletten seit beinah einem Jahr nicht mehr benutzt werden können, was wiederum zu Umsatzeinbußen des Kulturcafés führte, und das Phänomen sogenannter Wildpinkler verstärkte. Denn nicht allen BesucherInnen war bekannt, dass sich im ersten Stockwerk des Gebäudes eine Ausweichtoilette vor der Cafeteria befindet. Mittlerweile sind diesbezügliche Hinweisschilder an den defekten Toiletten angebracht worden, und die Ausweichtoilette leidet zunehmend unter ignorantem Vandalismus – wie einst die Anlagen vor dem Kulturcafé. Ein Problem, das nicht dergestalt eskalieren würde, wenn alle Ausweichtoiletten des Gebäudes genutzt werden könnten, aber diese sind nunmehr den Studierenden nicht mehr zugänglich.
Ein Akafö-Mitarbeiter, der nicht genannt werden will, erinnert sich, dass nach dem Einzug des Bafög-Amtes die zuvor frei zugänglichen Toiletten im Studierendenhaus plötzlich versperrt waren. Die Türklinken wurden durch Knäufe ersetzt und fortan war ein Schlüssel zum Eintritt erforderlich. Als inoffizielle Begründung soll angeblich die Angst vor dem Ansturm der Studierenden genannt worden sein. Und es stimmt ja, dass vor den Büros des Bafög-Amtes die Warteschlangen schon mal länger werden können. Was allerdings nicht die Schuld der Wartenden ist. Umso mehr verwundert es, gerade diesen Wartenden den Zutritt zu den Toiletten zu verwehren. Aber anscheinend wollen die MitarbeiterInnen des Bafög-Amtes nicht dieselben Toiletten benutzen wie die Studierenden. Warum ist das so?
Paruresis und Rhypophobie
Menschen, die unter der Phobie Paruresis leiden, haben Angst vor dem Urinieren in öffentlichen Toiletten; ähnliche Ängste gibt es auch beim Stuhlgang („Rhypophobie“). Den MitarbeiterInnen des Bafög-Amtes diese Phobien zu unterstellen, wäre infam und grob. Wo aber liegt der Grund für die Ausgrenzung der Studierenden von ihren Toiletten im Studierendenhaus? Und inwieweit können solche Ambitionen das Klima vergiften? Denn längst scheint sich ein Trend etabliert zu haben: So sind mittlerweile die Toiletten im zweiten Stockwerk, dort wo viele Studienberatungen angeboten werden, den Beratungssuchenden versperrt. Vertrauensverhältnisse werden erschüttert, Konflikte sind vorprogrammiert. Gerade bei einem so schambesetzten Thema wie dem der menschlichen Ausscheidung ist es dem konstruktiven Miteinander nicht förderlich, wenn eine Gruppe plötzlich auf Exklusivität pocht. Hygiene ist das Eichmaß der Zivilisation, allerdings nicht nur im vordergründigen Sinne der persönlichen Hygiene, sondern auch im Sinne der gewährleisteten Partizipationsmöglichkeit aller TeilnehmerInnen. Hygiene wird zum Wahn, wenn sie die Ausgrenzung anderer einfordert. Solcherlei Distinktionsdiskurse fördern die sonderbarsten Vorstellungen zutage. Dann scheiden die Privilegierten nur noch Fenchel und Honig aus, während alle anderen unzivilisiert und dreckig sind. Oder wie soll man das verstehen, wenn man als Studierender plötzlich vor versperrten Türen steht? Ist das eigentlich schon Nötigung, oder lässt sich das Ganze noch durch Verwaltungssprech relativieren? Kommunikativ ist diese Farce jedenfalls ein Kamikazeakt – gerade recht dazu angetan, das Verhältnis zwischen Studierenden und den MitarbeiterInnen des Bafög-Amtes, das laut vieler Beschwerden Studierender gegenüber der bsz eh nicht das beste ist, weiterhin zu schädigen.
Richtig ist, dass die Arbeitsstättenverordnung vorschreibt, dass den ArbeitnehmerInnen Toilettenräume bereitgestellt werden müssen. Das ist unerlässlich und sollte selbstverständlich auch für die MitarbeiterInnen des Bafög-Amtes gelten. Dass dafür jedoch ohne Absprache mit den Studierenden zuvor frei zugängliche Toiletten „privatisiert“ werden, ist allerdings ein anderes Thema, das einmal mehr zu der Frage führt, wem die Universität eigentlich gehört. Die Toiletten-Farce im Studierendenhaus verleitet zu der Annahme, dass diese Frage von einer Gruppe bereits hinter verschlossenen (Toiletten-)Türen geklärt wurde. Ein Irrtum. Einmal mehr.
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