Unmittelbar vor der ersten Bochumer StuPa-Wahl, am 2. Juni 1967, erschütterte ein Schock die deutsche Hochschullandschaft. In Berlin hatte ein Polizist den Studenten Benno Ohnesorg erschossen. Die Nachricht politisierte auch die Bochumer Studierenden. Schon in den Jahren zuvor hatte es eine Studierendenvertretung gegeben, allerdings eine, die sich recht unpolitisch gab. Der AStA-Vorsitzende war bisher von den Fachschaften gewählt worden. Doch mit den Schüssen in Berlin und den ersten SP-Wahlen in Bochum sollte vieles anders werden.

Ab 1967: Die wilden Jahre

Und so kam es, dass der AStA von der ersten Studierendenparlamentswahl an von linken Gruppen dominiert wurde: dem SDS, dem Sozialdemokratischen Hochschulbund (SHB) und später auch dem MSB Spartakus. Notstandsgesetze, Vietnamkrieg, Aufarbeitung des Nationalsozialismus – das waren die großen Themen der studentischen Bewegung. Aber auch hochschulpolitisch mussten die ASten Auseinandersetzungen durchstehen, etwa gegen RUB-Rektor Kurt Biedenkopf (CDU), der die Studierendenschaft als Zwangskörperschaft abschaffen wollte.

Ab 1973: Das konservative Intermezzo

Mit dem Vorschlag konnte sich Biedenkopf nicht durchsetzen – aber auch ohne die Abschaffung der ASten sollte sich die politische Situation an der RUB ändern. Die StudentInnenbewegung zersplitterte zunehmend, der Radikalenerlass und die RAF-Hysterie taten das Übrige. 1973 konnten so erstmals der Sozialliberale Hochschulverband und der CDU-nahe RCDS eine Wahl in Bochum gewinnen. 1976 sorgte eine linke Fachschaftenliste für ein einjähriges Gastspiel im AStA. Ein nachhaltiger politischer Stimmungsumschwung zurück nach links zeichnete sich allerdings erst zwei Jahre später ab.

Ab 1978: Die Basisgruppen kommen

1978 gewannen die Basisgruppen die Wahlen zum Studierendenparlament. Der NATO-Doppelbeschluss stand vor der Tür und hatte begonnen, zehntausende friedensbewegte Menschen auf die Straße zu treiben. Auch die Umwelt- und Frauenbewegung fanden großen Zulauf. Der Wahlsieg der Basisgruppen war ein Zeichen dafür, dass die Neue Soziale Bewegung auch in Bochum angekommen war.

Ab 1980: SHB wird wieder stärker

Mit dem Abebben der Friedensbewegung verloren die linken Basisgruppen zunehmend Stimmen, wovon vor allem gewerkschaftsnahe Gruppen profitierten – allen voran der SHB, der sich nach einem Streit mit der Mutterpartei SPD fortan „Sozialistischer Hochschulbund“ nannte. 1990 gelang es der vom SHB gegründeten und SPD-nahen TuWas-Liste schließlich, die absolute Mehrheit zu gewinnen: Die Zeit der notwendigen Kompromisse zwischen den Gruppen war damit erstmal vorbei. Die sozialdemokratische Vorherrschaft in der Studierendenvertretung der RUB sollte sieben Jahre anhalten.

Ab 1997: Alles neu macht der Streik

Im Jahr 1997 entzündete sich an den Unis die größte studentische Protestwelle seit 1968. Ausgehend von Gießen traten die Studierenden bundesweit in einen mehrwöchigen Streik – auch in Bochum. In diesem aufgeheizten Klima – alleine am 5. Dezember gingen bundesweit 140.000 StudentInnen auf die Straße – schlossen sich in Bochum die linken Unigruppen jenseits von SHB/TuWas mit vielen Streik-Aktiven zusammen. Schnell wurde die neue Linke Liste zur mit Abstand größten politischen Gruppe an der Ruhr-Uni – und das, obwohl sich bereits 1999 die Alternative Liste abspaltete, um sich fortan stärker mit ökologischen und kulturellen Themen zu profilieren. Von 1999 bis ins Jahr 2003 konnte die Linke Liste im Bündnis mit der Alternativen Liste die AStA-Vorsitzenden stellen, dann übernahm die Alternative Liste die Führung in der Koalition.

 

2005: Rot-Grün-Schwarz-Gelb

Die strukturelle Mehrheit der direkt oder indirekt aus dem Unistreik 1997 hervorgegangenen Listen hielt bis zum Jahr 2005. Die Situation änderte sich, weil sich inzwischen eine Grüne Hochschulgruppe gegründet hatte. Die Grünen machten vor allem der Alternativen Liste Konkurrenz und zogen 2005 nach einem aggressiven Wahlkampf gestärkt ins Studierendenparlament ein. Zur Überraschung vieler WählerInnen schlossen sie nicht nur ein Bündnis mit den SPD-nahen Jusos, sondern auch mit der FDP-nahen LHG und dem konservativen RCDS, der den rot-gelb-grünen AStA mitwählte. Als Gegenleistung erhielten RCDS-Mitglieder bezahlte „PraktikantInnenstellen“ in den AStA-Betrieben. Über das ganze Jahr hinweg kam das Mitte-Rechts-Bündnis nicht aus den Schlagzeilen heraus: So berichteten etwa die Zeitungen darüber, dass der Bochumer RCDS-Fraktionsvorsitzende Werbung für die rechtsextreme Wochenzeitung Junge Freiheit machte. Hinzu kamen Rücktritte fast aller Vorstandsmitglieder und weitere Querelen. So endeten die Wahlen im Januar 2006 mit Verlusten für das rot-grün-schwarz-gelbe Bündnis, aber ohne klare neue Mehrheiten. Ein Vierteljahr lang war offen, wie es weitergeht, bis sich eine Koalition unter Führung von Alternativer und Linker Liste zusammenraufte.

2007: Mensaparty-Skandal

Doch die Studierendenvertretung kam nicht in ruhigere Fahrwasser. Bereits im kommenden Jahr änderten sich die Mehrheitsverhältnisse wiederum, als die Jusos erneut ein Bündnis mit dem CDU-nahen RCDS und den Liberalen eingingen – dieses Mal ohne Beteiligung der Grünen. Gegen den massiven Protest der Oppositionslisten setzte das rot-schwarz-gelbe Bündnis eine überdimensionierte und schlecht geplante Mensaparty durch. Die Folge: Eine knappe Viertelmillion Euro Schulden, der AStA am Rande der Zahlungsunfähigkeit, und ein AStA-Vorsitzender, der später vom Bochumer Amtsgericht der Untreue schuldig gesprochen wurde. Immerhin: Bundesweite Presseberichterstattung über die desolaten Zustände in der Bochumer Studierendenvertretung gabs gratis dazu.

Seit 2008: Neues linkes Bündnis

In der gemeinsamen Oppositionsarbeit hatten sich die Grünen an die parteiunabhängigen linken Listen angenähert – nach Jahren der verhärteten Fronten zeichnete sich eine Option für ein stabiles Bündnis ab. Die Wahlen im Frühjahr 2008 endeten mit einem desolaten Ergebnis für die Juso-Hochschulgruppe, der die Hauptverantwortung für den Mensaparty-Skandal zugesprochen wurde. Also schlossen nun die Linke Liste, die Alternative Liste und Grüne Hochschulgruppe zusammen mit der Liste „Schöner Wohnen in Bochum“ eine Koalition. Das Ziel der Vernunftehe war es, die Mensaparty-Schäden zu begrenzen und den Skandal aufzuklären. Doch die Zusammenarbeit zwischen den Listen funktionierte in den Augen der Listen auch darüber hinaus, so dass sie in den folgenden zwei Jahren fortgesetzt wurde.

0 comments

You must be logged in to post a comment.