Um mit der Kulturhauptstraße Rott 2011 etwas Nachhaltiges zu schaffen, plant die Crew im Sommer ein Kreativviertel zu etablieren. Dazu soll die Umgebung miteinbezogen und bespielt werden. Dabei orientieren sie sich an den drei Parametern Richard Floridas: Talent, Toleranz und Technik – immer mit Augenzwinkern und Anarchie. Zu den Nibelungen ist monatlich eine Premiere geplant. Den Auftakt macht das Theater mit Superheld Siegfried. Brauchen wir heute noch Helden? Eine Antwort sollte bis März gefunden werden, denn dann widmet sich Regisseur Hans Dreher auch schon Siegfrieds Tod. Außerdem wird ein Trauerspiel von Friedrich Hebbel zu sehen sein. Fürs Frühjahr ist darüber hinaus unter dem Titel „Die Nibelungen lesen“ eine 24-Stunden-Non-Stop-Lesung geplant. Dazu ruft das Rottstr5-Theater Bochumer Autoren, Journalisten und Schulklassen auf, kurze Texte oder Gedichte zu verfassen und diese bei der Lesung selbst vorzutragen. Interessierte hauen in die Tasten und schicken ihre Texte per E-Mail an: mail@rottstr5-theater.de Wer nicht so lange warten möchte, kann sich bei der Premiere von Jean-Paul Sartres „Geschlossene Gesellschaft“ (Regie: Oliver Paolo Thomas) am 22. Januar davon überzeugen, ob die Hölle wirklich die Anderen sind.
bsz: Wie fällt euer Fazit für 2010 aus? Kann man sagen, dass es ein erfolgreiches Jahr für euch war?
Nobel: Unfassbar erfolgreich. Wir haben es geschafft, jeden Monat mindestens eine Premiere zu veranstalten. Wir sind unglaublich gewachsen, was das Personal angeht. Die Crew hat sich vergrößert. Es gibt Geschichten und Verbindungen zu mehr als 20 Menschen, was auch ein persönlicher Erfolg ist. Der Laden trägt sich selbst, von den Zuschauerzahlen her. Alle Kritiken zu allen Stücken, die man gemacht hat zeigen, es ist nichts gefloppt, was unfassbar ist. Natürlich sind wir auch stolz auf die Nennung als Theater des Jahres in verschiedenen Zeitungen. Wenn man bedenkt, dass wir vor einem Jahr noch ein Geheimtipp waren und jetzt überregional solch eine Resonanz erhalten, wird es schwer, die Erfolge noch zu toppen. Wir bekommen viele Anfragen von außerhalb, was toll ist. Der große Erfolg ist, dass anscheinend alles klappt. Wir haben unsere Ideen verwirklicht. Zum Beispiel Carsten Marc Pfeffer für vier Tage zu uns einzuladen, damit er über den Probenprozess bloggt. Und herausgekommen ist ein unglaublich toller Text. Auch, dass wir nach über 13 Jahren wieder mit Björn Geske zusammen arbeiten. Und das Tollste ist, der Laden macht auch noch Spaß! Vor allem unser Kinder- und Jugendtheater. Es klappt alles, das ist der größte Erfolg.
Welche Stücke sind am besten besucht?
Fight Club, das ist anscheinend irgendwie Kult. Da gehen die Leute auch mehrfach rein. Aber insgesamt pendelt es sich alles so zwischen 20 und 30 Leuten ein. Zum Beispiel bei der letzten Werther-Vorstellung, da wurde die Hälfte der Reservierungen wegen des Schneesturms abgesagt und plötzlich stehen um kurz nach 19 Uhr schon 15 Leute da.
Welche Inszenierung würdest du jemandem empfehlen, der noch nie im Rottstr5-Theater war?
Das kommt immer darauf an, wem ich das empfehlen soll. Jemandem, der nicht oft ins Theater geht würde ich Fight Club empfehlen. Wer gerne ins Theater geht, sollte sich Fräulein Julie ansehen.
Was hat es mit dem Slogan „Kulturhauptstraße Rott 2011“ auf sich?
Ich war enttäuscht von der Kulturhauptstadt.2010 und habe überlegt, was fand ich gut, was kann man besser machen, was sollte öfter stattfinden, was war schön? Das war der Gedanke, natürlich mit einem Augenzwinkern. Es war nur überraschend, dass sich daraus direkt Kooperationen entwickeln und jeder eine Idee hat, was man machen könnte, um den Mächtigen zu beweisen, dass man nicht Milliarden ausgeben muss. Wir schaffen was Eigenes, was Nachhaltiges. Dazu ist genug Potential in der Rottstraße und in Bochum vorhanden.
Was kannst du über die Subventionen seitens der Bochumer Sparkasse verraten?
Wir haben uns beworben und mit Herrn Townsend gesprochen, der einen Ausgabenstopp von der Stadt auferlegt bekommen hatte. Wir haben ihn nach Möglichkeiten der Förderung gefragt. Er hat uns dann auf die Sparkassen Stiftung hingewiesen. Dort haben wir dann ganz normal einen Förderungsantrag gestellt. Sie haben uns gewogen und für schwer genug befunden, wofür wir sehr dankbar sind.
Man sagt dir nach, du würdest all deinen Inszenierungen immer eine gewisse Radikalität verpassen. Wie erklärst du dir das?
Das liegt daran, weswegen ich auch am Theater gelandet bin. Weil man im Theater auch völlig geschützt ist. Man darf Sachen machen, die man in der Realität nicht machen darf. Waffen abfeuern, sich schlecht benehmen. Es interessiert mich, wie sehr man so was ausloten kann. Mir geht es immer um Tiefe, Extreme sind interessant. Wie viel Glück, Unglück, Hass, Verzweiflung kann es geben? Das muss ankommen bei den Schauspielern, bis es bei mir als Regisseur ankommt, bis ich das glaube. Da müssen die schon viel von sich geben. Ich bin kein intellektueller Regisseur, der alles mit Fremdworten verkopfen muss. Ich arbeite selten mit Dramaturgen. Ich halte auch nichts von Theaterwissenschaft. Die Leute müssen Lebenserfahrung haben.
Machst du auch Anleihen bei deinem persönlichen Alltag, wenn du an Dialogen für Inszenierungen arbeitest?
Nein, das machen die jungen Dramatiker, das finde ich falsch. Ich glaube nicht, dass Leute ins Theater gehen, um mitzubekommen, was für Witze unsere WG hier reißt. Im Theater geht es um große Sachen.
Welche Personen, Musik oder Bücher haben dich am meisten beeinflusst?
John Jesurun, ein amerikanischer Autor und Regisseur, Lehrer von René Pollesch (dt. Dramatiker und Regisseur). Mit dem durfte ich mehrere Male zusammen arbeiten. Ein unglaublicher Typ. Ästhetisch würde ich Jürgen Kruse sagen (dt. Theaterregisseur). Ernst Stötzner (dt. Schauspieler und Regisseur). Bei den Musikern sind es auf jeden Fall Nick Cave und Bob Dylan. Julian Schnabel (US-amerikanischer Maler und Filmregisseur) finde ich großartig als Künstler. Dann noch Bret Easton Ellis, Burroughs und Baudelaire. Die drei Bs.
Wem möchtest du an dieser Stelle unbedingt einmal Danke sagen?
Bochum. Und meiner Crew.
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