Ab 2011 soll alles besser werden. Der innere Schweinhund soll endlich Leine ziehen. In geübter Regelmäßigkeit werden die großartigen Wunschprognosen bezüglich der eigenen Optimierung von einer stetig wachsenden Gruppe beschworen. Wir beobachten das Phänomen der Abschwörenden. Wer sind diese Menschen? Schwer zu sagen. Die Mitglieder dieser Gruppe entspringen sämtlichen Sinus-Milieus. Dabei sind die Wünsche der Abschwörenden überraschend gleich: Die Pfunde sollen purzeln, das Rauchen wird aufgegeben, die Ernährung sollte gesünder sein und natürlich wird auch dem Alkohol abgeschworen. Also alles lebenserhaltende Maßnahmen, mit denen die Gruppenmitglieder versuchen, die Gefahr von Krebs, Arterienverkalkung, Schlaganfall und Herzinfarkt zu vermindern. So verwundert es nicht, wenn in den ersten Januarwochen innerhalb der diversen Raucherbereiche gähnende Leere herrscht. Ein flüchtiger Zustand. Denn spätestens, wenn die Weihnachtsferien vorbei sind und die Abschwörenden wieder von der Wirklichkeit ihrer Lohnarbeit eingeholt werden, brechen gute 90 Prozent ein und nehmen ihre gesundheitsschädigenden Gewohnheiten wieder auf. Anfangs noch mit schlechtem Gewissen, haben sich spätestens Mitte Februar die meisten Abschwörenden wieder auf ihr altes Niveau eingependelt: Vierzig bis sechzig Zigaretten am Tag, Currywurst und Pommes zwischen Mittagessen und Abendbrot, allabendlicher TV-Marathon versus Work-out. Langsam füllen sich auch wieder die Kneipen. Viele umgeknickte Abschwörende haben das Bedürfnis, das Verpasste wieder aufzuholen und geben nun richtig Gas: Schlachtplatten flankiert von Hochprozentigem, Ketterauchen, (aber auch Internetpornographie, Nasebohren und DSDS-Gucken). Gesundheitlich ist das Ganze naturgemäß eine Farce. Blutfette setzen an den Gefäßwänden Plaque an, jedes Jahr ein bisschen mehr, letztendlich löst sich der Thrombus. Doch auch Karzinome und die Gefahr einer Leberzirrhose stehen wieder auf dem Spielfeld des Alltags. Stündlich wird in den Hospizen gestorben. Ehemalige Abschwörende grämen sich in den letzten Minuten ihres Lebens zu Tode, weil sie von ihren guten Vorsätzen wieder abgekehrt sind. „Warum habe ich wieder mit dem Rauchen angefangen?!“ – Was für ein Wahnsinn! Gute Vorsätze können das ganze Leben vermiesen. Gute Vorsätze bewirken letztendlich das Gegenteil. Gute Vorsätze entspringen der Angst, sie vergiften die Seele und schließlich den Körper. Denn gute Vorsätze preisen die Selbstbeherrschung, doch zerstören den Flow. Mit dem richtigen Flow hingegen kann man sehr alt werden – egal wie sehr man seinen Körper malträtiert. Zahlreiche Beispiele belegen diese These: Bukowski beispielsweise ist trotz seines autoaggressiven Lebenswandels 73 Jahre alt geworden. Warum? Weil er niemals das, was er sich selbst antat, infrage stellte, solange er darauf klarkam. Auch eine Art von Selbstbeherrschung.

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