Bereits zur letzten Sitzung des Bochumer Stadtrats am 23. September hatte das Bochum-Herner Bündnis, das neben Parteien und Gewerkschaften auch von sozialen, kirchlichen und kulturellen Einrichtungen unterstützt wird, ein plakatives Zeichen gegen die zunehmende gesellschaftliche Schieflage gesetzt: Ein Parcours aus neugestalteten Verkehrszeichen wies auf ein drohendes Verschwinden sozialer Gerechtigkeit im kommunalen Haushaltsloch hin – allein der Jahresetat der Stadt Bochum wird voraussichtlich ein Defizit von etwa 170 Millionen Euro aufweisen. Eingespart werden soll der Fehlbetrag vor allem im Kultur- und Sozialsektor, was nicht nur in sensiblen Bereichen wie der Kinder- und Jugendarbeit verheerende Auswirkungen hätte. Selbst durch eine in den nächsten Jahren drohende Streichung von 800 Stellen in der Stadtverwaltung wäre das Finanzloch nicht zu stopfen.
Kampf gegen Armut
Darüber hinaus befürchten die Initiator_innen „ein weiteres Anwachsen der Armut in der Stadt“ sowie einen „Niedergang der Daseinsfürsorge“ für die Bürger_innen. Um gegen eine weitere kommunale Verarmung zu kämpfen, setzt das bis in die sozialdemokratische Mitte des politischen Spektrums reichende Bündnis vorerst jedoch weiterhin auf Symbolaktionen: Mit der Menschenkette „schützen wir unsere Stadt symbolisch vor der Finanzpolitik von Bund und Land“, heißt es im Aufruf zur Rathausumzingelung am Donnerstag. Zur Untermauerung des Anliegens wird einmal mehr die Metapher des „letzten Hemds“ bemüht; so besteht am 27. und 28.10. jeweils ab 14 Uhr vor dem Einkaufszentrum „Drehscheibe“ für Protestwillige die Möglichkeit, im Rahmen der aktuellen „DGB-Aktionswoche“ ein solches Kleidungsstück mit „Sprüchen und Grafiken“ verzieren zu lassen. Angesichts der massiven Proteste gegen das Milliardengrab „Stuttgart 21“ sowie der aktuellen sozialen Unruhen in Frankreich eine eher müde symbolische Geste.
Proteste ernstnehmen
„Dennoch wäre die Politik gut beraten, die immer noch milde vorgetragenen Proteste ernster zu nehmen“, sagt Karsten Finke, Mitglied des Kreisvorstands der Bochumer Grünen. Dies war bislang offensichtlich nicht der Fall: „Wir befürchten, dass man sich auf die Mangelverwaltung einrichten wird”, erklärte Gudrun Müller, Geschäftsführerin im Verdi-Bezirk Bochum-Herne, im Umfeld der bisherigen Protestaktionen. Folgt man den Gewerkschaftspositionen, bräuchte es unter anderem eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, eine Devisenumsatzsteuer sowie eine gerechtere Umverteilung öffentlicher Mittel zugunsten der Kommunen, um dies zu ändern. „Das wird jedoch ohne einen – offensichtlich ganz dringend auch und gerade hierzulande benötigten – wachsenden Druck von der Straße kaum erreichbar sein“, fügt Karsten Finke hinzu und geht noch einen Schritt weiter: „Dabei darf es nicht um einen sozialen Anstrich des Kapitalismus gehen, sondern um eine allmähliche Systemüberwindung.“
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