Bild:

 

Der niederländische Regisseur Paul Koek illustriert Candides Reise durch die Abscheulichkeiten der Menschenwelt mit verspieltem, häufig groteskem Humor. Wie könne man bloß ernsthaft glauben, dass „alles zum Besten eingerichtet sei“, lautet das philosophische Leitthema. Candide schlittert von einer Katastrophe in die nächste, trifft unterwegs Gerechte, die ihre Güte mit dem Leben bezahlen, chronisch Unglückliche, notorisch Böse, wird selbst zum Mörder und kehrt doch immer wieder hoffnungsfroh zu der einen Weltsicht zurück: Es ist wie es ist, und das ist gut so. So hat es ihm schließlich sein Hauslehrer Pangloß erklärt. Doch wenn dies die beste aller möglichen Welten ist, wie mögen dann die anderen sein?

Wölfe und Tannenbäume

Die großen Stärken der Inszenierung sind ihre phantasievolle Bildsprache und die musikalische Begleitung. Auf Leinwänden illustrieren kleine Trickfilmsequenzen das Geschehen auf der Bühne. Die schlicht animierten Strichbilder (David Lammers) passen gut zu der Naivität, mit der Candide auf der Suche nach dem Eheglück mit seiner geliebten Kunigunde durch die Kontinente reist.
Voll in das Stück integriert sind die Musiker, die jede Szene begleiten. Die Musik von Anke Brouwer ist selbst Kulisse – die Instrumentalisten wandern spielend umher, greifen in das Stück ein, treten auf als Wölfe oder Tannenbäume, bestimmen den gesamten Rhythmus der Inszenierung.

Spielereien

Der niederländische Regisseur hat neben der hyperaktiven Theaterband eine Vielzahl von kleinen und großen Spielereien in das Stück eingebaut. Dabei beweist er einen deutlichen Hang zum grotesken Humor: Die Figuren hopsen, stottern, kopulieren, urinieren, pflegen seltsame Marotten und tragen absurde Kostüme. Zusammengehalten wird das Stück durch Jürgen Hartmann, der den alten Candide als desillusionierten Glatzkopf verkörpert und als Erzähler durch die Szenen führt. Koeks Trefferquote ist allerdings nicht lupenrein. Nicht jede Szene fesselt, nicht jede Inszenierungs-Idee zündet. Die Bochumer Bühnenversion von Voltaires giftigem Klassiker lässt daher stellenweise das Tempo vermissen, das der Originaltext jederzeit hat.
Die großen Feuilletons der Republik haben Anselm Weber die Eignung zum Heilsbringer für das Schauspielhaus nach den ersten Premieren vorerst geschlossen abgesprochen – unter anderem, weil der Bochumer Candide mit seinen drei Stunden Spieldauer ein wenig zu sperrig ist, um restlos zu begeistern. Viel zu meckern gibt es aber wirklich nicht. Und wenn Bochum nicht immer das beste aller möglichen Theater hat, dann ist das so schlimm nun auch wieder nicht.

Nächste Vorstellung von „Candide oder Der Optimismus“: 23. Oktober, 19.30 Uhr, Schauspielhaus Bochum

 

0 comments

You must be logged in to post a comment.