Wegen der kurzfristigen Entscheidung der Richter aus Karlsruhe ließ die Polizei anstelle einer Demonstration nur eine Kundgebung in der Nähe des Hafens zu. Hier fanden sich rund 450 Nazis ein. Knapp 80 davon sammelten sich zuvor in Dorstfeld und liefen mit Transparenten zum Kundgebungsplatz. In dem Stadtteil im Dortmunder Westen wohnen viele Rechte. Die mit reichlich Verspätung begonnene Kundgebung schrumpfte im Verlauf beträchtlich. Während der langen Redebeiträge, die von den Darbietungen eines Nazi-Liedermachers unterbrochen wurden, verließen viele Rechte die Veranstaltung – am Ende waren nur noch 20 übrig.
Weitere 400 Nazis versuchten eine Spontandemonstration in Dortmund-Scharnhorst durchzuführen. Statt bis zum Hauptbahnhof zu fahren, verließen sie einen aus Hamm kommenden Regionalexpress eine Station eher, um von dort zur Kundgebung am Hafen hin zu demonstrieren. Weit kamen sie auf der Wegstrecke von mehr als zehn Kilometern nicht. Die Polizei setzte die wilden DemonstrantInnen in einer Seitenstraße fest und schickte sie mit dem Zug wieder zurück.
Blockaden
Die GegendemonstrantInnen führten mehrere Sitzblockaden durch. Zwischenzeitlich waren fast alle Bahnsteige für den Fern- und Regionalverkehr im Dortmunder Bahnhof von Protestierenden besetzt. Sie wollten so die Anreise der Rechten verhindern. Diese Blockaden wurden nach einer knappen Dreiviertelstunde von der Polizei geräumt. Hierbei wurden mehrere DemonstrantInnen durch die Griffe der Polizisten im Gesicht verletzt. Eine weitere Sitzblockade mit 1.000 TeilnehmerInnen fand auf einer Kreuzung in der Dortmunder Nordstadt statt, allerdings mehrere Kilometern von den Nazis entfernt, die ohnehin mit der U-Bahn dorthin transportiert wurden.
Juristisches Gezerre
Bereits in den Monaten vor der Kundgebung begann eine Serie von Verboten und Klagen: Die Dortmunder Polizei hatte zunächst per Auflage die Route der Gegendemonstration des S4-Bündnisses, einer Vereinigung Dortmunder Antifa-Gruppen, von der Innenstadt ferngehalten. Die Antifas, erpicht auf einen sichtbaren Ort mit Symbolträchtigkeit und in Nähe der Nazis, klagten daraufhin erfolglos vor den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten. Am Donnerstag vor der Nazi-Demo kam die Überraschung: In Aachen wurde ein Nazi festgenommen, der mit Sprengstoff experimentierte und Verbindungen nach Dortmund hatte. Infolgedessen verbot die Polizei die Kundgebung der Faschisten im Ruhrgebiet. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bestätigte dieses Verbot, woraufhin die Nazis das Oberverwaltungsgericht übersprangen und gleich das Bundesverfassungsgericht anriefen. Karlsruhe musste dann klären, ob es die Verfassungsklage außerhalb vom gewöhnlichen Rechtsweg überhaupt annehmen und über das Versammlungsverbot urteilen würde. Dadurch blieb die rechtliche Lage bis zum Samstag unklar. Das S4-Bündnis sagte am Freitag seine Gegendemonstration ab, rief aber weiterhin dazu auf, nach Dortmund zu kommen.
Rechter Alltag
Dortmund ist für die Naziszene eine Hochburg in Westdeutschland. Die regelmäßig stattfindenden Kundgebungen der Rechtsradikalen locken TeilnehmerInnen aus ganz Europa an. Vor allem die militanten „Autonomen Nationalisten”, die den Kleidungsstil der linken Autonomen kopieren, sind in Dortmund präsent und terrorisieren ganze Stadtteile. 2009 kam es zur seither letzten Eskalation, als circa 200 Neonazis die Maidemonstration des DGB überfielen (bsz 785 berichtete). 2005 wurde ein Punk in der Dortmunder Innenstadt von einem damals 17-jährigen Nazi erstochen, 2000 erschoss ein Dortmunder Nazi bei einer Verkehrskontrolle aus seinem Auto heraus drei Polizisten.
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