Vieles kam in dieser Woche zusammen. Sinnbild dieser sieben Tage war das t.a.i.b. (temporäre architektonische Intervention in der Baulücke) vor dem Riff-Gelände, von den Bochumer_innen nur liebevoll „die komische Raupe“ genannt. Mit dieser Bambuskonstruktion sei dem Architekten Jonathan Haehn ein großes Symbol gelungen, wie Kulturhauptstadt-Spin-Doctor Dieter Gorny anlässlich der Eröffnung bemerkte. Cooler Typ übrigens, vom Musikschullehrer zum Professor von kulturpolitischer Bedeutung und dabei total smart und easy geblieben. Ganz so wie das Programm. Beispielsweise die Vernissage zum Thema Virtuelles Wasser von Naemi Reymann: pointiert, avantgardistisch – was will man mehr?
Glücklich war es, dass sich in dieser Woche viele Ereignisse in der Stadt ballten: die FIFA U-20-Frauen-WM und Bochum Total. Aufgrund der Haushaltssperre konnte die Stadt nicht so auftrumpfen, wie es eigentlich wünschenswert gewesen wäre. So wurde das Logo „Local Heroes“ kurzerhand auf alles draufgedrückt, was eh stattgefunden hätte. Klar, das kann man jetzt bekritteln. Aber wozu? Hat doch alles wunderbar gepasst. Warum? Es war das Gesamtpaket sowie das Engagement der Bochumer Bürger_innen.
Draußen die Majors, drinnen der Kumpel
Am Dienstag strömen 22.000 Menschen in das Stadium an der Castroper Straße und erleben ein fulminantes 4:2 im Auftaktspiel Deutschland-Costa Rica. Zudem spielen Revolverheld am Abend ein inoffizielles Eröffnungskonzert für Bochum Total am Konrad Adenauer Platz. Am Bahnhof herrscht größter Andrang. Die City droht aus allen Nähten zu platzen und dabei ist es erst Dienstag.
Dass die Stadt so schamlos mit dem Logo umging, hatte überraschender Weise ein großes Initiationspotential. Viele Aktive der hiesigen Kulturszene machten es ihr nach. So wurde das Programm täglich mit kleinen Sensationen angereichert. So präsentierte zum Beispiel das Freie Kunst Territorium an der Diekampstraße ein Konzert mit dem Bochumer Liedermacher Unter anderem Max. Dieser Trend setzte sich auch zu Bochum Total fort. Das Off-Programm war in diesem Jahr wirklich spektakulär. Vieles von lokaler Provenienz. Dazu oft eine beinah private Atmosphäre auf den Bühnen der vielen Kneipen und Cafés im Bermuda3eck. So sollte es sein. Draußen die Majors, drinnen der Kumpel an der Gitarre. Marvelous.
Die größte Sensation in diesem Jahr: Frieda auf der Ringbühne. Spielten die Youngsters noch im letzten Jahr im Off-Programm von Nastys Vintage-Store Jungel in der Brüderstraße, so sind innerhalb eines Jahres aus den Kids Popstars geworden. Irre. Als nächstes dürften wohl tengo hambre pero no tengo dinero folgen. Wir werden hören und staunen.
Autobahn unplugged
Dann kam der Sonntag. Still-Leben Ruhrschnellweg. Das sah anfangs gar nicht so gut aus. Es fehlten übersichtliche Programmpläne und es wurde zu viel von allen möglichen Verboten gesprochen, die vorherrschen sollten auf der gesperrten A40 an diesem schönen Sommertag. So war man im Vorfeld auf das Schlimmste eingestellt, doch dann kam alles anders. Es wurde der große Tag des Fahrrades und die gesamte Kulturmetropole war auf den Beinen. Wunderbar: Ganze Hausgemeinschaften hatten Tische entlang der Strecke gemietet und präsentierten ihre privaten Vorlieben. Gertrud aus Höntrop liebt Stickereien und zeigt ihre letzten Werke stolz hervor. Irmel und Açilya aus Goldhamme präsentieren einen Bauchtanz. Viele signalisieren Gesprächsbereitschaft. „Toll, was du da machst. Wie heißt du denn? Guck mal, ich hier.“ – Große Klasse. Genauso sollte es sein. Dazwischen die Lokalmatadore und ihre Performance. Frank Goosen tauscht an seinem Tisch Panini-Sammelbilder. Aber die wirklichen Stars sind heute die Bürger_innen, die sich so stark einbringen. So viel Nähe, Offenheit und Interesse ist selten. Super. Am Sonntag ward ihr die Local Heroes. Ein ganz großes Dankeschön.
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