Nachdem Tana Schanzara am 19. Dezember 2008 verstorben war, hielt sich die Nachfrage nach ihren Memoiren mit dem Titel „Jeden Morgen dasselbe Theater“. Allein, das Kult-Buch war bald nicht mehr lieferbar. Wer Glück hatte, machte noch ein Schnäppchen bei eBay – ansonsten hieß es warten. Hilfe kam aus Bochum: Der Brockmeyer-Verlag nahm sich der Sache an, und seit ein paar Tagen sind Tanas Memoiren, die in einer ersten Auflage 1997 im Econ Verlag erschienen, wieder erhältlich – angereichert mit einem Vorwort des scheidenden Bochumer Intendanten Elmar Goerden. Geboten wird ein bunter Parforce-Ritt entlang Tanas Lebensstationen vor, hinter und abseits der Kulissen. Viele bekannte Größen der Theaterwelt kreuzen ihren Weg. Besonders bewegend sind die Erinnerungen an den jungen Jürgen von Manger, Gelsenkirchen 1953. Über den langjährigen Freund, den Schanzara nur „Bulle“ nannte, erzählt sie: „Ich sehe Bulle noch rücklings neben mir auf dem Bett liegen und die letzten Risipisi-Reste aus der großen Kasserolle in sich reinschaufeln. Er konnte so wunderbar essen…“ Es ist dieser direkte, doch warme Flow, der die großen Stellen der Memoiren markiert.
„Ich stieg in den Zug nach Siegburg, wo noch ein kleines Theater oder zumindest ein Saal stand, und sprach Herrn Schumacher, dem Oberspielleiter, (…) Texte vor. Er engagierte mich sofort.“ Den Zumutungen des Krieges entkommen, hatte Schanzara nach ihrem Abitur in Dortmund Schauspielunterricht in Köln genommen. Sie stammte aus einer Künstlerfamilie und verfügte früh über eine gewisse Selbstverständlichkeit. Über den Tag in Siegburg heißt es weiter: „Eigentlich ein ganz schöner Erfolg für einen Tag, dachte ich, wenn das so gut läuft, probiere ich es gleich noch in Bonn. (…)Ich sprach vor und wurde ebenfalls gleich genommen – ich war ziemlich zufrieden. Woanders hätte ich an diesem Tag auch nicht mehr hinfahren können…“
Seit 1956 gehörte Tana Schanzara zum Ensemble des Schauspielhauses Bochum. Nach 50 Jahren Bühnenpräsenz hatte sie unter allen Intendanten mit Ausnahme des allerersten, Saladin Schmitt, gearbeitet. Zeitlebens war sie für ihre komischen Rollen berüchtigt, doch auch im ernsthaften Metier konnte sie reüssieren, wie der große Erfolg am Wiener Burgtheater in Turrinis „Tod und Teufel“ belegt. Von „Theater heute“ wurde sie dafür zur Schauspielerin des Jahres 1990 gekürt.
Kein Plätzken, dat ich nich backen kann
Unvergessen bleiben auch Schanzaras Lieder. Besonders „Vatter, aufstehn!“, mit dem sie Anfang der 70er Jahre sehr erfolgreich im Radio debütierte: „Jeden Morgen datselbe Theater! Vatter! Du solls getz aufstehn! Verdammt nachma!“ – Ein Meilenstein in der BRD der Howard Carpendales und Joachim Kaisers. So wie die Leute auf der Straße reden eben. „Doch zum Glück gibt‘s so wat alles nur in Dallas.“ – Das ist der Sound von Ürdinger und Bierschaum, von Lohntüten und Schrebergartenidyll. Diese Lieder waren wichtig für die kulturelle Identifikationsleistung der BewohnerInnen einer Dorfgemeinschaft namens Ruhrgebiet. Sie sind die Leuchtpfade hin zu einer Kulturmetropole. Doch darin liegt gleichsam die große Tragik der vielseitigen Schauspielerin Tana Schanzara. Der Typ Kohlenpott engte ihre künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten immer mehr ein. Die späteren Erfolge im Fernsehen verstärkten diesen Trend. Zwar habe sie, nach eigenem Bekunden, diese Rollen immer gerne gespielt, aber wir hätten sie gerne auch mal als Orphelia gesehen.
Tana Schanzara: Jeden Morgen dasselbe Theater, Brockmeyer-Verlag, 9,90 €.
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