Die Antwort ist nicht einfach, so viel steht fest. Die einen schieben den Wunsch nach wahren Helden der Vorbildschwäche der Politik zu. Andere konstatieren, dass es ein tiefes emotionales Bedürfnis des Menschen ist, eigene Sehnsüchte und Wünsche auf Dritte zu projizieren. Helden werden so geboren. Immer stärker werden die Wünsche nach der Heroisierung des Alltags, und damit findet auch eine Abkehr vom elitären Konzept des klassischen Helden statt. Der demokratische Held wird geboren und kann sogar eine Heldin sein, wobei in Zeiten der Geschlechterdekonstruktion das Geschlecht eines Heldentypen sowieso keine Rolle mehr spielt. Erstaunlich, wie leichthändig mit dem Heldenbegriff umgegangen wird. Denn so schön die Möglichkeit ist, selbst Held zu sein, so sehr bedrückt auch der Weg, der dorthin zurückgelegt werden muss. Schon immer musste man zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. War in der Vergangenheit jedoch wenigstens noch der beherzte Einsatz einer Drehleiter erforderlich, um ein kleines, niedliches, verängstigtes Kätzchen aus einem Baum zu retten, reicht heute ein Mikrofon und eine weiß-rote !SINGsäule, um zum lokalen Helden zu werden. Die Kulturhauptstadt macht es möglich. Helden werden in Serie produziert. Jede Woche hat eine andere Stadt im Revier ihre Chance. Die Local-Hero-Wochen ziehen durchs Land. Vom 11. bis zum 17. Juli wird diese Säule in Bochum stehen und Bochumerinnen und Bochumern die Gelegenheit geben dabei zu sein: beim großen medialen Spektakel der Kulturhauptstadt. Heldin werden, indem man eine Grußbotschaft in die Kulturhauptstadtwelt schickt? Es ist verdammt einfach geworden, Held zu werden.
Doch dieses Instant-Heldentum hat auch ganz klare Nachteile. Ruhm ist vergänglich, Instant-Ruhm ist aber bereits vergangen. Oder weiß noch irgendjemand, wer Dieter Bohlens DSDS-Superstar 2009 war? Doch wenn jeder und jede Held werden kann, wenn jedes Heldentum im Augenblick ertrinkt, warum brauchen wir dann noch Heldinnen? Klappt die Projektion denn noch, wenn wir gar nicht mehr nachkommen mit unseren Hoffnungen und Wünschen? Wohl kaum – in diesem Sommer werden wieder mehr Helden sterben, als neue geboren werden. Denn aus dem Herausgehobenen ist Banales geworden. Und somit verliert Heldentum auch eine seiner wichtigsten Eigenschaften: Heldentum färbt ab. „So come back home as heroes and make us heroes, too!“ so singen die Parlotones in ihrem WM-Song. Als ich so gerade, mehr schlecht als gut, meine Grußbotschaft in die !SINGsäule trällerte, fühlte ich mich nicht sonderlich heroisch: Vielleicht auch, weil meine Vorgänger wie Fritz Pleitgen einfach nicht gut genug im Cape aussehen. Trotzdem darf ich um Bewunderung bitten – nicht für mich selbst, aber für die vielen lokalen Helden auf: singsaeule.de
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