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Luftballons aus dem Klonlabor: Ausstellungsmacher montieren Schacht-zeichen und Kultur in die Ruhrgebietslandschaft. - Foto: Michael MoosDie Idee zu der 4.000 Quadratmeter großen Kunstinstallation kam dem Bochumer Volker Bandelow. Das Projekt wird von Ausstellungen, Fotoschauen, Gesprächen und Vorträgen ergänzt, die Interessierten die Geschichte der dazugehörigen Zechen und Stadtteile näherbringen sollen. Wer sich die Sinnfrage beim „SchachtZeichen“-Projekt stellt, stößt unweigerlich auf die Erkenntnis, dass die meisten Menschen den Bergbau überhaupt nicht mehr mitbekommen (haben). Trotzdem geben sie sich, als würden sie um die Bedeutung des Bergbaus für das Ruhrgebiet wissen und für einige scheint sogar eine geradezu emotionale Verbindung zur Thematik zu bestehen. Die Projektverantwortlichen sehen im Bergbau „eine der zentralen Ursachen für die Fähigkeit der Ruhrgebietsgesellschaft, mit fremden Kulturen zu leben“ und argumentieren, unter Tage oder vor dem Hochofen „zähle nicht Herkunft oder Religion, sondern Leistung und Verlässlichkeit“. Ein Gefühl der Verpflichtung gegenüber der Bergbautradition fesselt die RuhrgebietlerInnen an ein Identitätskonglomerat aus Zechenhäusern, Fördertürmen, Herbert Grönemeyer und Schalke 04.

Phrasendrescherei

Mithilfe dieser Identifikationsblase wird versucht, dem „Mythos Kohle“ einen Besonderheitsstatus zu verleihen, um ihn zu einem zentralen Element einer künstlich geschaffenen „Ruhrgebietskultur“ zu machen. Worthülsen und Zauberwörter wie „Strukturwandel“ oder die Idee einer Ruhr-Metropole zeugen von rhetorischer Überhöhung, sind mittlerweile nahezu sinnentleert und verstellen den Blick auf die andere Seite der Kultur des Ruhrgebiets. So formen sie sich zu einem gedanklichen Konzept, das den Identifikationsrahmen vorgibt, in dem Ruhrgebietskultur interpretiert werden darf. Der vorhandene kulturelle Wildwuchs wird übersehen, zweckmäßig zurückgestutzt oder muss künstlich angelegten Bepflanzungen weichen.

Auch wenn es den Verantwortlichen des „SchachtZeichen“-Projekts fernliegt, den Bergbau zu heroisieren, der – wie sie wissen – auch „Krankheit, Not und Umweltzerstörung“ mit sich brachte, müssen sie doch zugeben, dass ihre gelben Schachtballone mehr heiße Luft als echtes Wurzelwerk der Ruhrgebietskultur waren. Trotz allem verweisen sie glücklicherweise auch auf die Widersprüche, die unter uns begraben liegen und wohl noch lange den Nährboden für alles Neue bilden werden, das hier wächst. Warum würden wir in Deutschland eine kulturelle oder künstlerische Avantgarde vielleicht ausgehend von Berlin, aber nicht aus dem Ruhrgebiet kommend erwarten? Wieso fällt es uns nur so schwer, an das Eigene des Ruhrgebiets zu glauben – fernab von Industrie, Zechen, Kohle und Stahl?

Wo bleibt die Avantgarde?

Denn das Ruhrgebiet hat auch reale und durchaus avantgardistische Kultur zu bieten. In den vielen zugehörigen Städten fanden sich auch vor und trotz RUHR.2010 die unterschiedlichsten künstlerischen Projekte. Doch als Kulturhauptstadt Europas 2010 beabsichtigte kaum ein Projekt, den Fokus der Aufmerksamkeit auf die bereits vorhandenen kulturellen Blüten zu lenken. Stattdessen werden aus aktuellem Anlass neue, auf Kurzlebigkeit angelegte Projekte hinzugepflanzt, die man dann aufgrund fehlender Finanzierung oder zunehmendem Prestigeverlust langsam vertrocknen und eingehen lässt.

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