Bild:

Carl Arnold Kortum war vom Fremden fasziniert und sammelte Wissen in Bochum. Einen Teil seiner Sammlung kann man im Stadtarchiv sehen. - Foto: Stadt Bochum, Presse- und InformationsamtDas Stadtarchiv in der Wittener Straße präsentiert eine Ausstellung zu dem Wechselspiel von „fremd“ und „eigen“ im Laufe der Geschichte der Stadt Bochum. Erklärtes Ziel der Ausstellung ist es zu zeigen, dass im Laufe der Geschichte „das Fremde“ immer wieder zum „Eigenen“ wurde und umgekehrt.

Menschlich schon in der Jungsteinzeit

Um diesem großen Ziel gerecht zu werden, holt die Ausstellung weit aus. Eines der ersten Fundstücke zeigt das Knochenstück eines Mammuts, das beim Bau der Uni gefunden worden ist. Dieser Bereich der Ausstellung trägt den Namen „Fern und Fremd“. Fremd ist uns dieser Bewohner unserer Region vor allem durch den zeitlichen Abstand zwischen seiner und unserer Geburt. Das trifft auch noch auf die ersten menschlichen BewohnerInnen der Region zu, die heute Bochum heißt. Ihre Überreste, etwa aus der Zeit der Jungsteinzeit, wurden im Bereich des heutigen Hillerberg in Hiltrop gefunden.

Stadtrechte und schon Streit

Als Stadt kann sich Bochum aber erst viel später bezeichnen. Es ist spannend zu erfahren, dass Bochum die Stadtrechte nicht alle auf einmal, sondern Stück für Stück erhielt. So konnte Bochum 1298 erstmals von der Stadtwerdung träumen. Mit diesen Privilegien kamen aber auch Nachteile: Im Jahre 1722 zählte man die Bürger (ja, wirklich nur die männlichen, denn das Bürgerrecht war an das männliche Geschlecht gebunden), um sich ein Bild zu machen, wie viel Steuern in Bochum wohl einzutreiben seien. In der Auflistung finden sich die Männer nach ihren Berufen sortiert wieder, die jüdischen Mitbewohner wurden gesammelt unter ihrer Religion aufgeführt.

Das Thema der Ausstellung wird hier in seiner vollen Komplexität deutlich. An diesem Beispiel zeigt das Stadtarchiv, dass Menschen schon zu dieser Zeit einen Unterschied zwischen sich und Anderen gemacht haben. Auch der rein wissenschaftlich zu sehende Unterschied zwischen „fremd“ und „anders“ wird hier deutlich: „Fremd“ sind die jüdischen Nachbarn nicht, sie sind „anders“, so die Ausstellung. Fremde hat man noch nie gesehen und sie bringen viel Neues mit sich.

Fremde in Bochum

In den 1840er kamen fremde Menschen aus vielen, für damalige Verhältnisse oft weit entfernten europäischen Ländern nach Bochum, die hier neben einer neuen Heimat unter anderem Arbeit suchten. Die Ausstellung bietet eine Fülle sorgfältig recherchierter Informationen über die Herkunft der neuen BochumerInnen und ihrer Motivationen hierher zu kommen. Leider liefert sie auch diese Information: Die Kluft zwischen den Bochumer BürgerInnen, die schon vorher hier waren, und den neu zugezogenen, für die Bochum fremd war, sollte sich bis zum ersten Weltkrieg nicht wirklich schließen.

Fremd im Dritten Reich

Das sogenannte „Dritte Reich“ zeigt, wie etwas, das „anders“ ist, „fremd“ gemacht werden kann. Am Beispiel einer jüdischen Familie aus Bochum kann man versuchen nachzuvollziehen, wie es geschehen kann, dass eine Familie aus der Mitte der Bochumer Bürger plötzlich zu Fremden gemacht worden ist. Unter dem Titel „Fremdarbeit“ findet auch die Zwangsarbeit in der Zeit von 1939 bis 1945 in Bochum einen eigenen Raum in der Ausstellung.

Fremde Gäste – Gastarbeiter

1961 schloss Deutschland mit der Türkei ein Anwerbeabkommen. Deutschland hoffte auf viele Arbeitskräfte. Und sie kamen. Bei einem ersten Blick auf den Titel der Ausstellung sind dies wohl die Menschen, an die man heute zuerst denkt. Fremde im eigenen Land, das eigentlich ein Zuhause hätte werden sollen, oder nicht? Exemplarisch wird hier die Geschichte von drei Frauen und drei Männern erzählt. Man bekommt eine Möglichkeit zu verstehen, warum sie hergekommen sind und wie es ihnen dabei ergangen ist. In diesem jüngsten Kapitel der Geschichte des Fremden in Bochum bekommt der/die aufmerksame LeserIn der großen Plakate an der Wand einen Einblick in die Welt „der Fremden“. Dabei ist dieser Teil der Ausstellung überraschend klein. Doch dies geschah mit Absicht. Das Kapitel der jüngsten Zuwanderung nach Bochum ist noch nicht abgeschlossen und viel zu komplex, um als Teil einer Gesamtausstellung diesen Themenbereich ganz erfassen zu können, erklärt Dr. Ingrid Wölk, die Leiterin des Stadtarchivs.

Eine Ausstellung also über die Geschichte des Fremden und des Eigenen in Bochum. Die Ausstellung legt den Schwerpunkt bewusst auf die Geschichte und zeigt vieles über Bochum, das man so noch nicht wusste. Auch für „Fremde in Bochum“ eine lohnende Ausstellung, die man sich ansehen sollte, damit Ingeborg Bachmann mit ihrer Aussage „Die Geschichte lehrt dauernd, aber sie findet keine Schüler“ eines besseren belehrt wird.

Ausstellung im Stadtarchiv

Stadtarchiv, Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte
Wittener Str. 47
Dienstags bis freitags 10 bis 18 Uhr
Samstags, sonntags und an Feiertagen 11 bis 17 Uhr

Wer mehr zu diesem Thema erfahren möchte, kann die „Partnerausstellungen“, die im Laufe dieses Jahres in anderen Stadtarchiven im Ruhrgebiet zu sehen sein werden, in seinem Kalender vormerken. Zum Beispiel unter dem Titel „Fremde – Feinde – Freunde. Franzosen in Bottrop und im Land an Emscher und Lippe vom 16. bis zum 21. Jahrhundert“ im Stadtarchiv in Bottrop.

0 comments

You must be logged in to post a comment.