Rasante Lügengeschichten zu verbreiten, das war seine Leidenschaft. Doch neben aller Provokation war stets ein Angriff auf die herrschende Semiotik mitgedacht. McLaren war ein Anarchist der Zeichen, der in seiner schöpferischen Zerstörungswut selbst vor dem Wort „Anarchist“ nicht Halt machte. Geprägt von den Situationisten gelang ihm in den 70ern der Brückenschlag zum DaDa der 20er. So entfaltete sich an McLarens Sendung die geheime Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts, die Greil Marcus in seinem Werk „Lipstick Traces“ so imposant beschwor, zu voller Größe.
Gefährliche Liebschaften
Die Liste seiner Weggefährten ist lang: Vivienne Westwood, die Sex Pistols, Bow Wow Wow, Adam and the Ants, etc. – Wer mit ihm in Berührung kam, dessen Leben gewann an Fahrt. McLaren stand Pate für viele Künstlerkarrieren. Verraten hat er sie allesamt, immer war es ihm ein Pläsir. „Malcolm experimentierte mit lebenden Subjekten, als wären sie graphische Elemente“, urteilte Theodore Ramos einmal so treffend über ihn. Wer ihn vergötterte, der wurde von ihm bestraft. Klassizistisch, möchte man anfügen. Malcolm war ein strafender Gott.
Die Liste seiner Feinde ist so lang wie die Liste derer, die sich in diesen Tagen mit an Liebesschwüren grenzenden Kondolenzschreiben überschlagen, allen voran natürlich John Lydon. Malcolms Gigantismus war für die meisten Zeitgenossen wohl nur im Tode zu ertragen.
Doch keiner von Größe, der nicht von ihm berührt wurde. Dank ihm wissen wir, dass es zwar kein richtiges Leben im falschen gibt, jedoch ein falsches Leben im falschen, und natürlich darf gelacht werden. Wir hofften auf ein Alterswerk, nun ist alles aus. Sein Verlust vervollkommnt die Gravität einer Zeit, die nicht zum Weinen, sondern zum Kotzen ist. Wütend, das sind wir, und wir geloben: wütend, das werden wir bleiben.
Zuletzt wohnte Malcolm in einem alternativen Wohnprojekt in Paris. Wenn wir uns trafen, erschien er stets in rotlackierten Damenschuhen. Ich habe ihn niemals spüren lassen, was er mir bedeutet, so kamen wir ganz gut miteinander aus.
Schwer ist es, die passenden Worte zu finden. Niemand in diesen Tagen, der mit ihm vergleichbar wäre. So bleibt es allein beim Zitat: „Those pretty wrongs that liberty commits when I am sometime absent from thy heart, thy beauty and thy years full well befits; for still temptation follows where thou art” (William S.).
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