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Die „Spex“ zeichnete sich in der Vergangenheit durch umfassend recherchierte Rezensionen aus und war damit eine journalistische Instanz. Neben einer wohlbegründeten Bewertung der Scheibe lieferte das Magazin auch fundiertes Genrewissen und biographische Details zu den KünstlerInnen. Stattdessen gibt es nun ein „Pop Briefing“, in dem die AutorInnen an einem runden Tisch über die Platte sprechen. Im Editorial begründet der Chefredakteur Maximilian Bauer diesen Schritt mit der vormals subjektiven Perspektive der Artikel, dem hohen Aufwand der SchreiberInnen für die Recherche, sowie mit den neuen Rezeptionsgewohnheiten durch das Internet. Die Kapitulation vor dem anderen Medium könnte nicht schöner klingen: Ein Printmedium erklärt die oftmals schludrige Qualität von Blogs zum Ideal. Die Feuilletonlandschaft tadelt durch die Bank weg: „verlogen“ (Tagesspiegel),  „Niedergang“ (Tageszeitung), „billige Form von Content“ (FAZ).

Die Qualität von Kritik

Internet-NutzerInnen können innerhalb von Sekunden für alles, wirklich alles, tausende Meinungen ergoogeln. Jede Platte, jedes Buch, jeder Film, jeder Rührmixer zieht in den Bewertungsforen der Versandhändler einen Rattenschwanz unqualifizierter Meinungsäußerungen nach sich. Darüber hinaus gibt es Unmengen von Online-Magazinen und Blogs, in denen sich digitale Bohèmes über alle möglichen Neuerscheinungen auslassen. An jeder Straßenecke liegen zudem kostenlose Blätter aus, in denen Rezensionen en masse stehen, die allerdings oftmals mehr Werbeanzeigen als kritische Bewertungen sind. Im Extremfall wird sogar komplett von der Pressemitteilung des Labels abgeschrieben.

Denn wie die „Spex“ richtig erkannt hat: Der Aufwand ist hoch. Warum sollte noch irgendwer für eine subjektive Meinung bezahlen? Das ist die Crux. Durch ihre dauerhafte kostenlose Verfügbarkeit verlieren Informationen an Wertschätzung. Es ist dann wie mit der deutschen Milch: Irgendwann kann man nicht mehr zu dem gewünschten Preis die entsprechende Qualität produzieren.

Die Abwesenheit von Kritik

Laut dem englischen Journalisten Ben Croshaw brauchen wir professionelle Kritik, die Gutes von Schlechtem trennt, damit wir nicht in unserem eigenen banalen Dreck versinken. Viele SchreiberInnen im Internet vergessen aber, dass die Meinungsfreiheit nicht nur jede Meinung schützt, sondern auch dazu dienen soll, dem besseren Argument eine Stimme zu verleihen. Gerade Printmedien konnten durch eine tendenziell höhere Qualität der Texte noch ihren Preis und damit ihre Existenz rechtfertigen. Natürlich verdient es kein Standpunkt, unkritisch übernommen zu werden – auch (oder gerade) wenn er von Leuten wie Marcel Reich-Ranicki stammt. Aber die Auseinandersetzungen verlieren an Qualität, wenn es vor allem darum geht, Befindlichkeiten zu äußern.

Die Trendwende in der Diskussionskultur hat längst auch die Seminare an der RUB erreicht: In vielen Unterrichtsgesprächen herrscht kritikfeindliche Kuschelstimmung. Aus Angst den KommilitonInnen auf die Füße zu treten, entsteht eine Diskussionskultur der Beliebigkeit. Sachliche Argumente werden als persönliche Beleidigung aufgefasst und zu Gunsten von „Ich finde…“ gleich ganz zurückgehalten. Was oberflächlich als Demokratisierung der Gesprächskultur daher kommt, ist auf den zweiten Blick das genaue Gegenteil: Denn wo sich  niemand traut, Recht – oder eben auch mal Unrecht – zu haben, kann auch keine fundierte Meinungsbildung mehr stattfinden.

 

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