Vor nicht allzu langer Zeit hörte man Hochschulen, die ihren Standort im Osten Deutschlands haben, bereits klagen: zu wenig WeststudentInnen entschließen sich, bei der Wahl ihres künftigen Studienortes auch Hochschulen aus den neuen Bundesländern in ihre Überlegungen mit einzubeziehen. Außerdem befürchtete man, dass immer mehr junge Leute, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im östlichen Teil Deutschlands erworben haben, gen Westen abwandern würden. Auch in westdeutschen Hochschulstädten, die nicht gerade ganz oben auf der Studienplatz-Wunschliste stehen, macht man sich Gedanken darüber, wie man am besten für sich werben kann.
Marketingstrategien sollen helfen
An der Uni Potsdam gibt es zum Beispiel eine BahnCard 50 für jeden Studi-Neuling unter 26 Jahren, die oder der sein Abitur in einem anderen Bundesland erworben hat und seinen Hauptwohnsitz nach Berlin oder Brandenburg verlegt. Die Uni Paderborn möchte mit Netbooks (kleine, internetfähige 10-Zoll-Notebooks) attraktiver werden. An der FH Eberswalde gibt es eine „Buschprämie“ von 80 Euro, wenn der Hauptwohnsitz in Eberswalde angemeldet wird. Auf der Homepage der FH beteuert man, dass nicht das Geld, sondern die Qualität der Inhalte die jungen Leute nach Eberswalde locke.
Die neu gegründete Fachhochschule Rhein-Waal hält ihre Provinzstandorte in Kleve und Kamp-Lintfort und die dortigen Studienbedingungen offensichtlich für so dürftig, dass sie AbiturientInnen ein Paket aus Notebook, Fahrrad und einem Handy – eine Dauerleihgabe im Wert von 800 Euro – bietet.
An der Düsseldorfer Heine-Universität erwartet die StudentInnen in diesem Semester kein Geschenk, hier erlässt man ihnen nämlich stattdessen die Studiengebühren.
Woher stammt das nötige Kleingeld?
Die meisten Hochschulen legen Wert darauf, dass die teuren Geschenke durch Sponsoren bezahlt werden. Dabei greifen kommunale Gesellschaften wie etwa die Sparkassen, aber auch private Wirtschaftsunternehmen in die Tasche. In Brandenburg werden die BahnCard-Geschenke allerdings aus Steuermitteln bezahlt – und zwar ausgerechnet mit dem Geld des „Hochschulpaktes 2020“, durch den eigentlich zusätzliche Studienplätze finanziert werden sollten. An manchen Unis zahlen jedoch letztlich die StudentInnen selbst, indem sie studiengebührenfinanzierte Unterstützung erhalten. So auch an der Hochschule Bochum: Hier bezuschusst man sie beim Leasing eines Notebooks, für welches drei Jahre lang jeden Monat Raten ab 5 Euro fällig werden. Wie die bsz bereits berichtete, liebäugelt man auch an der RUB mit ähnlichen Plänen.
Sollte es bei der Studienplatzwahl nicht in erster Linie um die Qualität der Lehre, die Ausstattung der Hochschule und um die Qualität der Studienangebote gehen? Stattdessen versucht man, möglichst viele ErstsemesterInnen mit Lockangeboten zu ködern und die unbeliebten Hochschulen mit Hilfe von Marketingstrategien konkurrenzfähig aussehen zu lassen.
Bildung erhält durch diese Methoden den Stempel einer Ware neben vielen anderen. „Möglichst gut funktionieren“ wird zu einer weiteren bildungsbürgerlichen Tugend. Warum sollen sich junge Menschen überhaupt zu einem Studium entschließen, wenn sie nur noch schief angesehen werden, sobald sie sich aufgrund ihrer Neigungen für oder gegen einen Studienplatz entscheiden?
Studis üben Kritik
Nicht nur ältere Semester fragen sich, ob man das Geld nicht sinnvoller hätte ausgeben können und befürchten einen Trend hin zur Kommerzialisierung von Bildung. Weshalb wird ein großer Teil der zur Verfügung stehenden Mittel für Marketing dieser Art verwendet, anstatt das Geld für die Verbesserung der Studienbedingungen vor Ort zu nutzen? Es bestehen schließlich noch immer genügend Mängel an unseren Fachhochschulen und Universitäten, die es dringender zu beheben gilt.
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