„Der Mann und seine Krisen“ lautet der latent geschlechterdiskriminierende Untertitel von Oliver Uschmanns neustem Produkt – so werden die fünf männlichen Charaktere zwischen Ende zwanzig und Anfang fünfzig, die er in seiner über 250 Seiten starken „Fehlermeldung“ in elf Episoden zu unterschiedlichen persönlichen Krisenthemen „einige Jahre begleitet“, auch konsequent allesamt als komplette Vollidioten portraitiert. „Männer sabotieren sich selbst“, lautet das gebetsmühlenartig vorgetragene Credo des elfmalklugen Erzählers in Uschmanns romanesk daherkommendem Lebensberater, dessen Episoden stets in vier Kategorien unterteilt sind: Einer „Fehlerbeschreibung“ folgt immer ein exemplarischer pseudosatirischer Beleg anhand eines Auszugs aus den literarisierten Biographien der fünf Protagonisten, um über den Zwischenschritt spekulativer Ursachenforschung schließlich zur belehrenden „Fehlerbehebung“ zu gelangen. Als geschlechtstypisch diagnostiziert der 1977 in Wesel geborene Germanist, Literat und selbsternannte „Theorieadministrator“ angeblich männliche „Mechanismen, die sie gefangen halten in einem Käfig“ – „Selbstsabotagen“ eben. Glaubt Uschmann jedenfalls.
Betriebssystem kaputt
Hierbei werden die maskulinen Don Quichottes, die da scheinbar unentwegt gegen ihre eigenen inneren Windmühlen anrennen und angeblich ständig an sich selbst scheitern, auf eine maschinengleiche Existenz reduziert: Akribisch spürt Uschmann den „Algorithmen und laufenden Prozessen in Männern“ nach und versucht, ihr vermeintlich defizitäres „Betriebssystem“ zu ergründen. Dies tut er auf Grundlage der „psychologischen Theorie und Methode der Transaktionsanalyse“ sowie einer wild zusammengewürfelten Theoriemixtur von Gedankensplittern „aus der Philosophie, der Psychoanalyse, der Systemtheorie, dem Anarchismus oder dem Liberalismus“. Letzteres allerdings sollte in überlebensgroßen Lettern geschrieben werden – denn: Wusste man/frau bei Hartmuts Männer-WG-Romanen nie ganz genau, ob sie nun von einem liberalen oder libertären Wind durchweht sind, zeigt sich die Autorintention der „Fehlermeldung“ unverblümt in neoliberalem Gewand. Nicht etwa das gesamtgesellschaftliche „Betriebssystem“ wird bei Uschmann mitten in der weltweiten Wirtschaftskrise grundlegend infrage gestellt, sondern immer wieder das sich angeblich selbst sabotierende, rhetorisch zur Maschine degradierte Individuum.
Geld schreibt
Am Anfang ist bei Uschmann die Kohle – so startet er seinen scheinbar satirischen Par-force-Ritt durch die Männerwelt in den Untiefen des ökonomischen Diskurses und attestiert dem „modernen Mann“, der „den Unternehmergeist verloren“ habe, „ein verkorkstes Verhältnis zum Geld“ – um dann noch einen draufzusetzen: „Er sieht sich nicht als ernst zu nehmenden Akteur auf dem Markt.“ Doch das ist noch nicht alles – den Abschnitt über die Suche der Fehlerquelle nutzt der Erzähler von seinem „humoristischen Hochsitz“ aus nicht etwa zur Abrechnung mit Westerwelles Erben, sondern wettert gegen ein ethisch angeblich fehlgeleitetes Bildungssystem, wo „ökonomische Realitäten außen vor bleiben“ – obwohl „an den konventionellen Schulen“ doch ohnehin bereits „ohne Rücksicht auf individuelle Talente darwinistisch selektiert“ werde. Und als wäre dies noch nicht schon viel zu viel des Guten, geht dem vermeintlichen Systemversteher das hohe Ross bei seinen Ratschlägen zur „Fehlerbehebung“ endgültig durch, indem er unreflektiert den „amerikanischen Traum“ reproduziert; „der Weg vom Tellerwäscher zum Millionär“ sei „prinzipiell begehbar“: „Immer noch. Sie wissen das.“ Gnadenlos macht Erfolgsautor Uschmann in seinem neuen Machwerk mobil für einen Kapitalismus, der sich im historischen Systemvergleich nicht etwa als „das grausamere System“ erwiesen habe: „Dabei ist es er – und nur er –, der auch alternativen Geschäftsmodellen und Lebensentwürfen Möglichkeiten eröffnet“. Gesellschaftskritische Fehlermeldung: Fehlanzeige.
Oliver Uschmann: Fehlermeldung.
Der Mann und seine Krisen.
Gütersloher Verlagshaus 2009.
ISBN: 978-3-579-06896-1
255 Seiten. € 16,95.
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