Um den Geburtstag eines guten Freundes zu feiern, hatte sich eine illustre Runde aus ganz Europa für das Wochenende in dem Kaff mit der lächerlich hohen Dichte an Weltkulturerbe eingefunden. Bis zur letzten Aufführung von „Fausto“ am Sonntagabend bleibt ja genug Zeit, um sich in die Bahn nach Bochum zu setzen, verkatert ins Musische Zentrum zu wanken und was für die Zeitung zu tippen. Wie so oft, hatte ich meine Fähigkeiten auch in dieser Angelegenheit falsch eingeschätzt. Zurück zu den Pinnchen. Es sollten nicht die einzigen an diesem Abend werden, der von der miefigen Kneipe aus nach draußen verlagert wurde. Zuviel Whiskey trieb schließlich die Gruppe aus Halbakademikern und Halbstarken zu einem Test, wie gut sich die Mosel nachts um zwei Uhr zum Baden eigne. Persönliches Fazit der Fallstudie: Es ist genauso illegal wie das Schwimmen in der Kemnade, aber man stinkt am Ende stärker. Irgendwo müssten die nahgelegenen französischen Industriebetriebe ihren Dreck auch kostengünstig entsorgen, so entsetzte Biochemie-StudentInnen später.
Freitag: Es gibt kein Fiege an der Mosel…
Am nächsten Morgen machte man sich gegen 16 Uhr auf, um gestärkt von Rührei und Paracetamol die Trierer Innenstadt zu erkunden. Porta Nigra, wie schön. Konstantinbasilika, auch hübsch. Das Picknick im Park vor dem Palais wurde allerdings von einer schlechtgelaunten Gewitterfront zunichte gemacht. Nach Trocknung und kurzer Internet-Recherche stellten wir belustigt fest: Bochum hat es Total mies erwischt. Gut, dass ich gerade auf dieser Couch statt vorm Fiege-Stand rumlümmel, tönte es schadenfroh durch meinen Kopf. Dieser wettertechnische Bremser wurde allerdings später von der ausgedehnten Weinprobe im idyllischen Olewiger Tal vollkommen wett gemacht. Mit roter Nase sowie einer Flasche Riesling Hochgewächs in der Linken und Spätburgunder in der Rechten ging es zurück zur Schlafstätte. Die Worte des nicht minder beschwipsten Gutsbesitzers klingeln noch in unseren Ohren: „Kommt wieder, dann trinken wei aon Schneis‘ dursch em Keller!“
Samstag: …aber Dosenbier aus Luxemburg
Aufstehen fiel schwer. Der Schädel brummte in Infra- und Ultraschall. Der Besuch des Musicals am Sonntag lag noch in weiter Ferne, vor diesem Unterfangen musste ich den heutigen Tag überstehen. Es stand die große Geburtstagsfeier an, wie sollte ich das durchhalten? Ich nahm mir ein Beispiel am Comeback von Lance Armstrong und dopte mich mit Kaffee. Der Abend nahm seinen Lauf. Details sind zu vernachlässigen. Die 80 Liter des günstig aus Luxemburg importierten Bieres waren nicht, wie zunächst gedacht, viel zu viel, sondern genau die richtige Menge.
Sonntag: Aufwachen, wo einst die Römer hausten
Am Sonntagmorgen war es soweit. Um meine leidige Existenz als Möchtegern-Ranicki fortzusetzen musste ich zügig wieder in den Pott. Mein Schädel war mit Zigarettenqualm und Fuselalkohol gefüllt. Das Wochenende saß mir tief in den Knochen. Statt eines gewöhnlichen Katers war eine afrikanische Großkatze am Werk. 15 Uhr. Doch schon so spät? Um noch rechtzeitig zur Aufführung zu kommen, hätte ich sofort aufspringen müssen und den Kilometer zum Hauptbahnhof mit vollbepackter Reisetasche sprinten müssen. Die anwesenden Schnapsleichen besprachen währenddessen den Weg zum passenden Trierer Gasthof und die Qualität der dortigen Hähnchenflügel. Nein, ich kann nicht! Die Arbeit, die Pflicht, die Leserschaft! Hohe Ansprüche – die bei 30 Grad im Schatten verdunsteten, während ich im Biergarten regenerierte. Später hörte ich noch von Bochumer KollegInnen, dass „Fausto“ brillant gewesen sei. Aus oben genannten Gründen bin ich gezwungen, vom Musischen Zentrum eine Wiederaufführung zu verlangen.
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