An Sponsoren scheint es zumindest nicht zu mangeln, denn die Logos von abenteuerlustigen Bierkonzernen und jugendlichen Mobilfunkanbietern vermehren sich wie die Karnickel. „Lost in the Supermarket“ kann der gemeine Chucksträger auf keinen Fall sein. Auch musikalisch wird man von den aktuellen Rezensionen bestens geleitet. Egal, wo man hinhört, alles ist frischer Wind, der neuste Trend und eine Welle, die von irgendwo herüber schwappt. Bei mir schwappt auch gleich was über. Im diesjährigen (Unwort) Festivalsommer dröhnt einem der Marketing-Zug von Marek Lieberberg mit 150db entgegen. Und jeder feiert auf dem Sonnendeck. Es gibt Guides, FAQs, ABCs und Planer. Selbst auf dem allseits beliebten Einkaufslistenverzeichnis StudiVZ gibt es die Kategorie „Meine Festivals“. Das Eventim-Ticket wird zum Bestandteil der Persönlichkeit. Inzwischen hüpft auch die Omi mit ihrer Strickdecke zu Deichkinds Remmi-Demmi-Bass. Denn trotz dieser Marktschreierei kommt man nicht um den Eindruck umher, dass alles durchgelatscht ist. Limp Bizkit als Headliner – geht’s noch? Der Nürburgring ist längst erwachsen geworden, quasi die Hitparade der Volksmusik für die Generation Golf. Geleitet wird das ganze von einem MTV-Pseudopärchen mit passenden modischen Schals als Zeremonienmeister, denen man anmerkt, dass sie die hygienischen Zustände beim Zelten ganz schön eklig fänden und eigentlich viel lieber Kanye West hörten. Aber man braucht ja irgendwen, der irgendwas ins Mikro brabbelt. Jedes Jahr das gleiche Spiel in immer größerem Ausmaß. Horden von rot-braunen Weißbroten, die jede Radiosingle auswendig aber keine einzige B-Seite kennen, gehen auf die Pilgerfahrt. Gerüstet mit Billigschnaps, `Tschland-Autoflagge und Sexistischer-Spruch-Bekleidung füllen sie deutsche Autobahnen. Wer will denn auch von Wirtschaftskrise reden – die gesamte Visions-Kundschaft kauft doch gleich am ersten Tag alle T-Shirts für 30 Tacken auf. Als die Hippies `67 in San Francisco die Bewegung symbolisch zu Grabe trugen, hätten sie tiefer buddeln sollen. Wenn Übergewichtige mit orangefarbenen Jägermeister-Hüten auf dehydrierten Köpfen in Mitten selbstfabrizierten Plastikmüll Frisbee spielen, wird Zynismus geboren. Natürlich ist es anderswo nicht besser. Auf jeder zweiten Bühne hüpfen die Ärzte und die Hosen rum, müssen ja auch mal wieder ein paar Platten verkaufen. Mit Punk, der noch nie wirklich welcher war, aber mittlerweile haargenau wie Schlager klingt. Auf der anderen Seite des Spektrums verzweifelt man noch mehr: Melancholie-Bands, die nur 3:30 als Songlänge kennen, versuchen sich im Rhetorik-Yenga. Wenn man dann auf der Setlist endlich MusikerInnen findet, die erlebenswert sind, versperrt eine Phalanx aus Fotohandys die Sicht und sexuell Frustrierte holen zum Ellbogen-Tanz aus. Ach… ich weiß ja auch nicht. Den nächsten Sommer werde ich komplett in der eisgekühlten Badewanne verbringen. Im Hintergrund dudelt dann Miles Davis entspannt vor sich hin. So kann wenigstens keiner mitgröhlen.
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