Früher war Pestilenz die Göttin in der Entwicklungsabteilung. Nachdem die Arbeitsbereiche von Hunger und Krieg ausentwickelt waren, war lediglich Pestilenz noch in der Lage, die Weltbevölkerung mit immer neuen Krankheiten zu terrorisieren, kleinere Erfolge von Krieg Ende der 90er Jahre und Anfang dieses Jahrtausends einmal außen vor gelassen. Über Jahrhunderte hinweg, ein Renner nach dem anderen. Pest, Typhus, Cholera, die Pocken, nicht zuletzt auch AIDS. Die waren Geißeln der Menschheit und echte Quotenkönige bei Reiter, Inc. Allein in Deutschland haben wir eine Million zufriedener Kunden, Jahr für Jahr. Und nun dieses Desaster. H1N1! Nachdem H5N1 vor Jahren ja schon wegen mangelnder Übertragbarkeit auf Menschen floppte, hatten wir Pestilenz gebeten, ihre Forschung wieder mehr im Bereich Pest zu intensivieren. Aber nein, sie glaubte an das H-N-Virus. Und jetzt? Jetzt kommt ein deutscher Wirtschaftsminister daher und schafft es, mehr Leid und Elend zu verbreiten, als die neue Pandemie. Zur Pandemie ist H1N1 ja auch erst gestuft worden, nachdem ein besorgniserregendes Loch in den Medien nach der Opel-Rettung und Karstadt-Insolvenz entstanden war. Pandemiestufe sechs, dass ich nicht lache. Früher gab es noch keine Stufen dafür aber Tote. Zugegeben, 30 Kinder in einem Düsseldorfer Kindergarten an der Schweinegrippe erkranken zu lassen, schafft Publicity. Und anschließend einen Experten vor die Kameras zu stellen, der der besorgten Bevölkerung erklärt, die Stufe sechs würde bedeuten, dass von H1N1 eine ernste Gefahr ausginge und die Regierung nun alles tun würde, um die Bevölkerung zu schützen, lässt hoffen. Trotzdem, so richtig Schwung will in die Sache nicht kommen. Ich mache mir langsam ernsthaft Sorgen. Die Konjunkturkrise in der Realwirtschaft war eigentlich immer ein guter Zeitpunkt um ein paar Extra-Geschäfte abzuschließen, man denke nur an den schwarzen Freitag 1929. Gleich einige Dutzend Selbstmorde unter den Bankern. Aber heute? Die Umsatzzahlen stagnieren. Die Gewinne brechen ein, wütende Aktionäre schreiben mir E-Mails. Mir, dem CEO. Bislang wollten immer alle möglichst wenig mit mir zu tun haben. Nun gut, so ist der Lauf der Zeit. Vielleicht sollten auch wir einen Staatskredit beantragen. Wir sind, und das nicht nur in den Augen von Steinmeier, systemrelevant. Ohne uns würde das Kranken- und Rentensystem zusammenbrechen. Unsere Probleme sind nicht hausgemacht. Wir haben schon vor Jahren mit Ulla auf Kompetenz gesetzt. Dass unsere alten Konzepte mit jährlich neuen Krankheiten heutzutage keinen Toten mehr hinter dem Ofen hervorlocken können, konnte doch nun wirklich niemand ahnen.
Ob mit oder ohne Staatshilfen: Wir werden es wohl so machen, wie schon die Jahrtausende zuvor. Denn die Zeit arbeitet immer noch für uns, trotz Hartz IV, Impfschutz und Handdesinfektionsmitteln
Der TOD
CEO der apokalyptischen ReiterInnen
Reiter, Inc. established since 3761 b.c.
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