Microsofts neue Suchmaschine dürfte eher peinliche Betroffenheit bei den Usern auslösen. So dumm sind wir noch nie zensiert worden! Wer bei Bing etwa nach „Strumpfhose“ sucht, erhält keine Ergebnisse, sondern lediglich die Nachricht: „Der Suchbegriff Strumpfhose führt möglicherweise zu sexuell eindeutigen Inhalten. Ändern Sie Ihre Suchbegriffe, um Ergebnisse zu erhalten.“ Auch wer nach „Kamasutra“, „Handschellen“ oder „Fesseln“ sucht, landet im wahrscheinlich dämlichsten Prüderie-Filter aller Zeiten. Dass ein Hundefreund ebenfalls kein einziges Ergebnis bekommt, will er sich über „Möpse“ informieren, verwundert kaum, und nach dem „Schwanz“ der lieben kleinen Kläffer braucht man erst gar nicht zu suchen. Dass allerdings auch sämtliche Ergebnisse zu den Begriffen „homo“ und „lesbisch“ zensiert werden, während „hetero“ und „heterosexuell“ zu 10 Millionen beziehungsweise 61.000 Ergebnissen führen, könnte sogar als sexuelle Diskriminierung verstanden werden. Da möchte man den ProgrammiererInnen fast wünschen, deren Ärzte würden mit „Spritzen“ genauso restriktiv umgehen wie die von ihnen geschaffene Suchmaschine, wenn es mal hart auf hart kommt.

So weit, so dumm. Dass sich Microsofts neue Tür zum Internet eher aufführt wie ein halsstarriger Türsteher mit dem IQ eines Toastbrot, könnte man mit einem Achselzucken zur Kenntnis nehmen. Allerdings verweist die gleichermaßen größenwahn- wie unsinnige Zensureskapade auf einen Umgang mit dem Grundrecht Informationsfreiheit, der bedenklich stimmt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Inhalte werden auch von anderen Suchmaschinen gefiltert. Wer etwa auf der deutschen Google-Seite nach der rechstextremistischen Homepage Stormfront sucht, erhält als Ergebnisse statt einem Link zur Nazi-Seite aufklärerische Artikel von netz-gegen-nazis.de und Wikipedia. Darunter erscheint ein Hinweis, dass aus rechtlichen Gründen Ergebnisse entfernt worden sind. Wer sich allerdings bei Bing über die Machenschaften des wohl weltweit größten Neonazi-Forums informieren will, erhält keine kritischen Infos, sondern nur den Hinweis auf „möglicherweise sexuell eindeutige Inhalte“. So werden nicht nur die Neonazis gefiltert, sondern auch gleich alle diejenigen, die über die unerträgliche Propaganda aufklären wollen.

Bei Bing handle es sich nicht nur um eine Suchmaschine, sondern um eine Entscheidungsmaschine, versucht Microsoft das merkwürdige Verhalten von Bing zu erklären. Sie soll „bei täglichen Entscheidungsfindungen rund um Themen wie Einkaufen oder Reiseplanung helfen“. Das schreit förmlich nach einem Test. Auf die Frage: „Was soll ich kaufen?“ spuckt die Seite als erstes Ergebnis aus: „Potenzmittel kaufen“.
So erbärmlich war Microsoft noch nie. Was waren das noch für Zeiten, als der Redmonder Riese im großen Browserkrieg den vormals marktbeherrschenden Konkurrenten Netscape in die Knie zwang: Von 1995 bis 2003 sank der Marktanteil des Netscape Navigators von über 80 Prozent auf unter vier Prozent, während am Ende nur einer von 20 Internet-SurferInnen nicht auf Microsofts InternetExplorer setzte. Wie anders sieht die Situation im Jahr 2009 aus: In den vergangenen sechs Jahren hat der behäbige Browser 30 Prozent seiner Marktanteile eingebüßt. Auf dem Suchmaschinen-Markt bekam Microsoft nie ein Bein auf den Boden. Die denkbar dümmste Suchmaschine wird diesen Trend zementieren. Und so wird „bingbingbingbing“ wohl weiterhin eher für die klingelnden Kassen bei Google stehen, als für den Erfolg in Redmond.

0 comments

You must be logged in to post a comment.