Dem allgegenwärtigen Stadtverplanungswahn der verantwortlichen Lokalpolitiker und ihrer Entourage bringt der Arnsberger Regierungspräsident Helmut Diegel (CDU) ernstzunehmenden Widerstand entgegen: Er hat den Haushalt der Stadt Bochum nicht genehmigt. Alles nur Wahlkampf, oder droht der Größenwahn der Masterplaner tatsächlich die Blase zum Platzen zu bringen und die Regionen für Generationen auf einem gewaltigen Schuldenberg sitzen zu lassen? Was an dieser Fragestellung zu kurz greift, ist die Sicht auf den ästhetischen Gehalt der geplanten Baumaßnahmen. Auch wenn die Dortmunder Brunnenkontroverse andere Voraussetzungen hat, wirft sie ein Licht auf das Dilemma der Stadtplaner, die immer noch in Kategorien der Repräsentation denken. Was dabei mitunter übersehen wird, ist der Mensch, der fortan in einer Stadt leben muss, die allein auf Außenwirkung zielt. Wie sich jedoch Stadtplanung und Lebenswirklichkeit gewinnbringend verbinden können, skizziert der Künstler Matthias Schamp in seinem offenen Brief an die Stadt Dortmund. Anlässlich des „provinziellen“ Brunnenentwurfes in Form einer bronzenen Kaffeetafel plädiert Schamp für ein von ihm selbst „entwickeltes Brunnen-Modell, das zwar nicht billiger, jedoch ästhetisch anspruchsvoller, kompositorisch ausgereifter und vor allem urbaner verankert ist.“ Der Zierpunkerbrunnen.
Die perfekte Bierkühlung
„Bei einem Zierpunkerbrunnen handelt es sich um ein von einer Mauer umfasstes Wasserbecken“, so Schamp in seinem offenen Brief. „Die Umfassung muss niedrig sein, damit Punks bequem darauf sitzen können. Eine einzelne Düse in der Mitte erzeugt eine eher niedrige Wassersäule, die aber genügend Wasserumwälzung bewirkt, um die Bierkühlung in Gang zu halten. Denn im Becken können – und sollen sogar ausdrücklich – Bierflaschen gelagert werden. Die hierzu notwendigen baulichen Maßnahmen würden nur einen geringen Teil der genannten 150.000 Euro verschlingen. Die Restsumme soll in Kleinstbeträge gestückelt und über Jahre hinweg zur Anfütterung einer lokalen Punkerszene verwendet werden. Zu diesem Zweck sollte ein vertrauenswürdiger städtischer Bediensteter in unregelmäßigen Abständen den Zierpunkerbrunnen aufsuchen und eventuell dort versammelten Punks kleine Euro-Beträge in die Hand drücken.“
Bunte Farbtupfer
Schamps Argumente erweisen sich als unwiderlegbar, denn „so ein Zierpunkerbrunnen ist malerisch, ohne Gefahr zu laufen, ins Kitschige abzugleiten. Kleineren Landgemeinden wird das Flair urbaner Ballungszentren eingehaucht. Große Städte erhalten bunte Farbtupfer, die die Tristesse ihrer Einkaufszonen sinnfällig auflockern.“ In Dortmund allerdings goutiert man gegenwärtig die Idee eines „Himmelspiegels“, einer kreisrunden, schnörkellosen Wasserfläche – was schade ist, weil doof und überflüssig.
Wie wird es nun weitergehen mit dem Zierpunkerbrunnen, der zum Referenzmodel der ganzen Region werden könnte? Lassen wir uns überraschen. Für den Sommer jedenfalls plant Matthias Schamp unterstützt vom Punk-Urgestein Wolfgang Wendland in Wattenscheid die Errichtung eines ersten – allerdings nur temporären – Zierpunkerbrunnens. Ort und Zeit werden noch bekannt gegeben, so dass sich Interessierte mit eigenen Augen vom künstlerischen Wert einer solchen Anlage überzeugen können. Die bsz bleibt dran.
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