Bild:

Der Dortmunder Polizeipräsident wird seit langem dafür kritisiert, dass er das Nazi­problem in der Stadt herunterspielt. Er spricht nun wohl vor allem deshalb von einer „neuen Qualität“, um das skandalöse Verhalten der Polizei zu entschuldigen. Dortmunder Antifas sehen in dem Überfall auf die Gewerkschaftsdemo den nächsten Eskalationsschritt einer Entwicklung, die sich schon seit Jahren abzeichnet. Bereits vorher hatte es nicht angemeldete Demonstrationen, Randale, brutale Angriffe – bis hin zu Mord – gegeben. Inzwischen hat selbst der BVB das Imageproblem Dortmunds erkannt und unterstützt nun offiziell eine Unterschriftenaktion der Gewerkschaft ver.di zum Verbot einer für den 5. September geplanten Nazi-Demo.

Mehrfach Nazi-Aufmärsche am 1. Mai in Dortmund

Seit einigen Jahren versammeln sich am Ersten Mai Nazis aus den verschiedenen Spektren (NPD, Kameradschaften etc.), um für ihr faschistisches Weltbild zu „demonstrieren“. Mit unterschiedlichem Erfolg versuchen linke und bürgerliche Gruppen, dies zu verhindern. Einerseits werden Nazidemos von diesen durch Mittel des zivilen Ungehorsams blockiert, andererseits gibt es immer wieder gerichtliche Verbote. Letztlich bleibt es aber ein Katz-und-Maus-Spiel. In den letzten Jahren wandten Nazis, die als „autonome Nationalisten“ firmieren, zunehmend die Methode an, spontane Aufmärsche zu veranstalten, wenn die angemeldeten verboten blieben. Solche Aufmärsche gab es auch in Dortmund zuletzt immer wieder.

Eskalation 2009

Dieses Jahr hingegen wollten die Nazis in Hannover demonstrieren. Nachdem dieser Aufmarsch letztinstanzlich verboten worden war, riefen die Dortmunder Rechtsextremen einen Tag vor dem Ersten Mai zu spontanen Aktionen auf. Es scheint fast so, als habe die Polizei diese öffentlich zugängliche Information ignoriert. So kam es dann dazu, dass sich am 1. Mai vierzig Nazis ab 9 Uhr am Dortmunder Hbf versammeln konnten. Die Polizei ließ sie gewähren und verzichtete darauf, Verstärkung zu holen. Die Dortmunder Einsatzhundertschaft war nach Siegen abgezogen, wo eine kleine Nazidemo stattfinden sollte. Man hatte ihnen sogar zwei Bahnwaggons freigeräumt und in Siegen Busse organisiert, damit die Nazis bequem und ungestört hätten reisen können. In schier unglaublicher Naivität nahmen die anwesenden Beamten den Nazis ab, sie warteten auf Busse mit weiteren ‚Kameraden‘ – vor allem aus Thüringen –, mit denen sie nach Siegen fahren wollten. Ein kurzer Blick auf die Landkarte hätte jedoch genügt, um zu erkennen, dass Dortmund nicht auf dem Weg von Thüringen nach Siegen liegt…

Als die Nazis gegen 10.30 Uhr komplett waren, ging alles ganz schnell: Auf Handzeichen zweier „Kader“ stürmte ein Teil der Nazis durch eine schwache Polizeikette plötzlich Richtung Dortmunder Innenstadt, statt in den Zug nach Siegen einzusteigen. Der größere Teil nahm laut AugenzeugInnen die U-Bahn und fuhr in aller Ruhe zwei Stationen zum Stadtgarten, wo gerade die DGB-Demo begann. Der am Vortag vom DGB-Vorsitzenden Weber mit Hinweis auf angekündigte dezentrale Aktionen der Nazis erbetene Polizeischutz war verweigert worden. Laut Angaben von AntifaschistInnen waren dagegen Einheiten nach Dortmung-Dorstfeld abgezogen worden – ausgerechnet, um dortige Naziwohnungen zu schützen.

Nazi-Attacken und Polizeiübergriffe

Als die Nazis die DGB-Demonstration erreichten, griffen sie das Ende der Demo massiv mit Steinen, Flaschen und Holzlatten an. Dadurch wurde eine unbekannte Anzahl PolizistInnen und Gewerkschafter verletzt. Doch wehrten sich einige an der Mai-Demonstration Teilnehmende gegen den Angriff, was diesen möglicherweise überhaupt erst stoppte. Die wenigen Streifenbeamten stellten sich dazwischen, nahmen aber erstmal nur Gewerkschafter fest. so ist in einem WDR-Lokalzeit-Bericht eine brutale Festnahme zu sehen, bei der ein Beamter den am Boden liegenden Nazigegner ins Gesicht tritt.

Erst nach weiterer Nazi-Randale in der Innenstadt konnten die inzwischen zusammengezogenen Streifenbeamten die Nazis einkesseln. Unter Kontrolle geriet die Lage erst, nachdem drei Hundertschaften mit Hubschraubern eingeflogen worden waren. Bei der Durchsuchung der Rechtsextremen fand sich ein erstaunliches Waffenarsenal bis hin zu Brandsätzen. Gegen 402 Nazis laufen nun Ermittlungsverfahren.

Gegendemo polizeilich unterbunden

Nicht genug des fragwürdigen Polizeieinsatzes an diesem Tag: Als am Abend 250 AntifaschistInnen gegen den Naziangriff demonstrieren wollten, wurde ihnen dies trotz der Anwesenheit von fünf Hundertschaften mit dem Verweis verweigert, man könne nicht für ihre Sicherheit garantieren. Der Anmelder dieser Demo will deswegen nun Anzeige gegen die Polizei stellen. Ein möglicher Grund für das Verbot könnte in der Freilassung aller festgenommenen Nazis schon zur gleichen Zeit am Abend bestehen.

Der Ablauf dieses Tages sollte wohl allem voran die sofortige Absetzung des verantwortlichen Polizeipräsidenten Hans Schulze zur Folge haben, der bereits bei früheren Anlässen leugnete, dass Naziübergriffe in Dortmund ein Problem darstellen. Erfreulich ist in dieser Hinsicht die kritische Berichterstattung der Lokalpresse, die bis dato häufig der Darstellung des Polizeipräsidenten folgte, Dortmund habe kein Naziproblem. Zudem ist eine gründliche Aufarbeitung der Ereignisse absolut notwendig – denn die Schuld an den Dortmunder Verhältnissen trifft sicher nicht den Herrn Polizeipräsidenten allein.

Politik und Polizei müssen endlich umdenken

Der Druck auf die Polizei sorgt nun zumindest dafür, dass Schulze (mit Unterstützung aller Fraktionen im Dortmunder Stadtrat) versuchen will, die jährliche Nazidemo Anfang September zu verbieten. Zu hoffen ist, dass die Stadt nun auch darüber hinaus endlich entschlossener handelt. Die beste Abwehr gegen rechte Alltagsgewalt – das zeigen Metropolen wie Köln oder Hamburg – ist es, eine vielfältige, alternative und multikulturelle Atmosphäre in einer Stadt zu fördern. Diese herzustellen, sollte die Stadt Dortmund konsequent unterstützen. Zu hoffen ist, dass dies bald gelingen wird – ansonsten kann man den künftigen TouristInnen der Kulturhauptstadt 2010 nur raten, einen großen Bogen um Dortmund zu machen.

Verfasser ist der Redaktion bekannt.

http://s5.noblogs.org
http://antifaunion.blogsport.de

0 comments

You must be logged in to post a comment.