Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass man am Kleidungsstil die politische Haltung ablesen könne, dass Rechtskonservative Lacoste, Linksalternative hingegen amorphe Strickpullis tragen würden. Nun gibt es in jedem politischen Spektrum gewisse Apologeten, die stets bemüht sind, sämtliche Vorurteile zu bestätigen. Das mag seine (oft traurigen) Gründe haben, bringt uns in der Sache aber nicht weiter. Nein, wer heute die Demarkationslinien zwischen Hugo Boss und Vivienne Westwood ziehen will, sollte nochmals bei Saussure den Unterschied zwischen Signifikat und Signifikant nachlesen. Kulturgeschichtlich wurden die Insignien der Haute Couture in den letzten Jahrzehnten erfolgreich entsemantisiert – den Subkulturen sei dank! Will sagen: Eigentlich könnte heute jeder Mann und jede Frau genau den Look tragen, der ihm/ihr gefällt. Womit wir endlich einmal ein konsumorientiertes Freiheitsversprechen postuliert hätten, das die Pluralität und nicht die Eindimensionalität förderte. Man muss nicht unbedingt die angesagte Fashion Diary der Bochumer Bloggerin aNNa.Frost unter www.fashionpuppe.de verfolgen, um zu verstehen, wie frech und erfrischend Mode sein kann, aber es könnte helfen. Doch leider bewegen wir uns im Spektrum Mode auf einem Feld der vorschnellen Urteile. Nehmen wir zum Beispiel die Krawatte: Wer behauptet, die Krawatte sei Ausdruck autoritärer Charaktere, übersieht das subversive Potential, das sich aus den über 180 Varianten eines Krawattenknotens ergibt. Sei es der demokratische Four-in-Hand, der aristokratische Windsor-Knoten oder der aktuelle Krisenknoten für Krawattenselbstmörder – einer pointierten Wahl sind kaum Grenzen gesetzt. Oder wer wollte Marlene Dietrich vergessen, die neben dem Hosenanzug auch die Krawatte als modisches Accessoire emanzipierte?

Aber leider gibt es immer wieder Interessensgruppen, die Schicks als Distinktion verstanden wissen wollen. Und leider haben sie immer noch allzu oft recht. All die vorangestellten Sophistereien besagen nichts, sofern auch nur eine Krawatte als Ausdruck eines Status getragen wird. Wenn Dresscode zum Access wird. All die armen Teufel in den Großraumbüros mit ihren schlecht sitzenden Anzügen von der Stange! Oft verzichten gerade diese Menschen in ihrer Freizeit auf eine Krawatte, da sie nicht Ausdruck eines individuellen Schicks ist, sondern eine Anpassungs-, eine Unterwerfungsgeste symbolisiert. Oder sie verzichten ganz bewusst auf dieses Accessoire, weil sie gerade eine Weltwirtschaftskrise zu verantworten haben. So wurde bei dem letzten G20-Gipfel in London den Bankern empfohlen, auf dem Weg zur Arbeit keine Krawatten zu tragen, um die DemonstrantInnen nicht zusätzlich zu provozieren.

So ist letztlich festzuhalten, dass wir kulturhistorisch von einer freien Fashion noch weit entfernt sind. Folglich ist das Wort „Dresscode“ dem machtdiskursbedingten „Access“ beizuordnen und nicht dem freiheitsversprechenden „Accessoire“. In diesem Sinne bekenne ich mich gerne zu meinem „Asi-Look“. Denn egal was, ich trage es mit Lust und nicht aus Pflichtgefühl. Insofern bin ich für die Herren der Verbindung auch mit Krawatte gerne ein „Assi“, ein „Assi“ mit Niveau wohlbemerkt.

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