Dr. Benway (Oliver Möller) tritt als erstes auf. Danach stolpert Bill (Christoph Pütthoff) ins Bild. Er hat hinter den ZuschauerInnen einen Schuss abgefeuert. Man weiß zu Beginn nicht, worauf das alles hinaus laufen soll. Warum der Schuß? Warum dieser verstörte Typ Bill? Was sucht Bill hier? Spannung wird aufgebaut.

Bill gerät in diese Situation, ohne es zu wollen. Bill hat Angst. Dennoch: Er setzt sich hin, als Benway ihn einlädt zur Selbstbetrachtung. Benway bedient alle elektronischen Geräte, die Teil des Bühnenbildes sind, er führt das Gespräch, er bringt die Getränke mit, die auch um ihn verstreut liegen. Bill stellt Fragen, lernt Regeln und versucht mitzuspielen, er versucht auszubrechen, er versucht sich selbst zu verstehen. Bill ist die menschliche Reaktion auf Umstände und Benway konfrontiert ihn mit Kategorien, Wissen und Gesetzen. Bill sagt: „Das Schreiben stieß bei mir in eine Lücke.“ Dabei habe er sich treiben lassen, bis es plötzlich keinen Ausweg mehr gegeben habe. Benway meint darauf: „Diesen Zustand nennt man SUCHT.“ Dr. Benway beginnt ihn zu steuern, ihn zu „rekrutieren“ und zu manipulieren. Benway hat scheinbar ein Ziel vor Augen und er hat einen Auftrag. Er wird Bill für die Sache einer „Organisation“ gewinnen. Als Bill seine Frau tötet, ist alles beendet, die Stühle werden von Benway wieder zusammen gestellt, das Licht schaltet der Protagonist selber aus.

Bill hält Zettel in der Hand, auf denen gewissermaßen sein Schicksal niedergeschrieben ist: Dort steht, was er in der Inszenierung gesagt hat und was er noch sagen wird. Dr. Benway behauptet er würde seine Frau töten. „Dann mach ich das eben nicht“, sagt Bill und Pütthoff zeigt das als Trotzreaktion. Das verschleiert die Wahrheit der Existenz der Figur. Eine Konfrontation, eine Auseinandersetzung mit den Gedanken des Textes durch den Schauspieler wird offenbar verweigert. Vermutlich ist der unpassende Gestus eine Folge der Weigerung. Bill stellt an anderer Stelle fest, er habe sein Schicksal geschrieben in der Hand. Darauf reagiert er nervös und ungläubig lachend. Begreifbar wird hier sicher, worum es geht, jedoch trifft seine Darstellung nicht die Tiefe der Erkenntnis und er verwässert die Komplexität von Gedanken ganz allgemein. Eine Auseinandersetzung der Schauspieler mit der Situation, indem man sich auf sie einlässt, hat wieder nicht stattgefunden. Möller und Pütthoff zeigen an den Figuren eine Interpretation des Textes, anstatt seine Wirklichkeit und die Situation zu konfrontieren. Sie machen für den Zuschauer eine wahre Erfahrung von Zweifel, Angst und Tod also unmöglich. Stattdessen wird eine Komposition körperlicher Zeichen reproduziert.

Die Figuren sind einfach konzipiert, um die abgründigen Theorien erzählen zu können. Die Themen sind komplex. Der Text versucht sie einfach zu halten. Doch während durch Worte Abgrenzungen möglich sind, verschränkt der menschliche Geist Bedeutungen von Begriffen. Der Mensch denkt so komplex, wie die Themen komplex sind, die der Autor der Vorlage produziert hat. Der Stil verdrängt die Wahrheit des Textes.

Die Spannung, die sich aus den Strukturen der Figuren ergibt, ist extrem. Doch ist es für den Zuschauer unmöglich, das zu erleben. Und das sollte doch Aufgabe des Theaters sein. So muss die Kritik fundamental ansetzen: Die Schauspieler haben einen passenden Gestus gefunden und legen diesen leichtsinnig auf die Struktur des Textes. Sie machen eine Interpretation sichtbar, anstatt die Wahrheit der Gedanken erfahrbar zu machen.

Der Autor ist einer der Bewerber auf
 die freie FSVK-Stelle in der bsz-Redaktion.

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