„Man muss das Geld in Verruf bringen. Es wäre nützlich, dass diejenigen, die höchstes Ansehen oder sogar Macht besitzen, gering entlohnt werden. Die menschlichen Beziehungen müssen der Kategorie nicht messbarer Dinge zugeordnet werden. Öffentlich soll anerkannt sein, dass ein Bergmann, ein Drucker, ein Minister einander gleich sind.“ – Nachdem Weil 1909 als Tochter wohlhabender Eltern in Paris geboren wurde und anschließend eine wohlbehütete Kindheit im jüdisch-agnostisch geprägten Elternhaus genoss, waren ihre revolutionären Ansätze kaum absehbar. Doch bereits früh interessierte sich die junge Frau für Philosophie und Politik und begann nach dem Abitur ein Studium der Philosophie in ihrer Heimatstadt.

Pazifismus und Antifaschismus

Philosophisch und politisch geprägt wurde Simone Weil bereits in der Schule von ihrem Lehrer Émile Chartier (besser bekannt unter dem Pseudonym „Alain“), der – auch aufgrund seiner Erfahrungen im Ersten Weltkrieg – zum bekennenden Pazifisten und Antifaschisten wurde und Zeit seines Lebens für mehr und direktere Demokratie sowie humanistische Werte kämpfte. Wie Alain wurde Weil schließlich auch Philosophielehrerin, verbrachte aufgrund gesundheitlicher Probleme (chronische Kopfschmerzen) jedoch nur wenig Zeit in diesem Beruf. Von den Entwicklungen in Deutschland entsetzt, entschied sie sich stattdessen, 1934 nach Deutschland zu reisen, um politisch gegen Hitler zu wirken. Sie verfasste zahlreiche Schriften gegen den Nationalsozialismus und war bemüht, linke und demokratische Parteien davon zu überzeugen, gegen Hitler zusammenzuarbeiten. Doch ihre Werke fanden nur wenig Gehör in Deutschland und wurden auch erst posthum in den Siebzigern in die deutsche Sprache übersetzt und in einer höheren Auflage veröffentlicht (Aufsatzsammlung: „Unterdrückung und Freiheit“).

Erfahrungen als Fabrikarbeiterin

Nachdem Weil enttäuscht nach Frankreich zurückkehrte, wollte sie in ihrer Heimat die Unterdrückung des großindustriellen Kapitalismus am eigenen Leibe spüren und entschied sich zum Zwecke des Erkenntnisgewinns zu einem Jahr Fabrikarbeit bei Renault. Auf dem Foto in ihrem Fabrikausweis (siehe Bild) ist die hübsche junge Frau bereits von ihrer Krankheit und der schweren Arbeit gezeichnet. Der harte Alltag bei Renault öffnete Weil die Augen für die Bedürfnisse und Nöte der FabrikarbeiterInnen und so beschäftigte sie sich in der folgenden Zeit stärker mit linken Ansätzen, fand aber weder in der Sozialdemokratie noch im Marxismus ihre politische Heimat. Das System „Staat“ lehnte sie immer stärker ab und öffnete sich stattdessen für anarchistische Ideen.

„Urlaub“ in Spanien

Nach dem Jahr bei Renault reiste Simone Weil zur Erholung 1936 nach Spanien, wurde dort jedoch schon bald mit den Realitäten des Bürgerkriegs konfrontiert. Durch die Philosophie Alains und ihrem Aufenthalt in Deutschland geprägt, entschied sie sich an der Seite der Anarcho-Syndikalisten gegen Franco zu kämpfen, der eine militaristisch-faschistoide Revolution anstrebte. Unter anderem auch durch die Unterstützung Nazi-Deutschlands für den faschistischen General wurden die demokratischen Kräfte schnell besiegt und Weil kehrte zurück nach Frankreich. Vor ihrer Rückkehr kam es jedoch schon zu ersten Begegnungen mit dem Christentum, die sich später in Frankreich und Italien intensivierten. Die bisher bekennende Atheistin schloss sich dem Christentum an, das sie als „Religion der Sklaven“ bezeichnet. So sah sie ihre neugewonnene Religiosität auch nicht im Widerspruch zu ihrem politischen Wirken, sondern lediglich als „Neuorientierung“ ihrer Lebens.

Mystik und Kopfschmerzen

Ihre chronischen Kopfschmerzen, durch die körperlichen Strapazen bei Renault und in Spanien womöglich stark verschlimmert, wurden für Weil zum Tor für mystische Erfahrungen. Durch regelmäßige Erlebnisse war sie der Meinung, in einer transzendentalen Liebesbeziehung zu Jesus Christus zu stehen. 1941 begann ihre literarisch wichtigste Schaffensphase. Sie floh vor den deutschen Besatzern nach England, wo sie 1943 im Alter von nur 34 Jahren an Magersucht starb. Ob ihre Magersucht eine Folge ihrer Kopfschmerzen war, die sie am Ende ihres Lebens immer häufiger heimsuchten, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Simone Weil verlor gegen Ende des Lebens geprägt von Unterdrückung und Rückschlägen ihren Glauben an eine gerechte Gesellschaft im Diesseits. Doch ihre Texte wurden nach ihrem Tod zum Quell der Inspiration für anarchistische und demokratische DenkerInnen. Ihr hundertster Geburtstag ist ein guter Anlass, ihr politisches Vermächtnis wiederauferstehen zu lassen.           Â

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