Die für ihre Alleingänge berüchtigte Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz gab sich betont bescheiden. Die Entscheidung zum Aus der Loveparade in Bochum sei im „Konsens aller Beteiligten“ getroffen worden. Dass die Absage jedoch durchgeboxt wurde, ohne zuvor einen Ratsbeschluss einzuholen, betont nach dem Cross-Border-Leasing-Skandal einmal mehr den Mangel an politischem Taktgefühl im Umgang mit weitreichenden Entscheidungen von Dr. Ottilie Scholz.
Klingt nach Bochum
Im Kreis der EntscheidungsträgerInnen standen neben der OB der Wirtschaftdezernent Paul Aschenbrenner sowie die Rechtsdezernentin Diane Jäger. Aschenbrenner, bei dem die Planung zusammenlief, betonte: „Dies war keine Entscheidung gegen die Loveparade, sondern vielmehr eine für die Sicherheit hunderttausender Menschen.“ Aber irgendwie war es dann doch eine Entscheidung gegen die Loveparade. Auch Diane Jäger machte zuweilen keinen Hehl daraus, dass sie wenig mit der Loveparade im Sinn hatte. Klar, das Massenevent mit über einer Million erwarteter BesucherInnen stellte die Stadt vor ein gewaltiges Organisationsproblem. Der Bochumer Hauptbahnhof vermag es, 16.000 Menschen pro Stunde zu befördern, da mussten Lösungen her. Doch anscheinend mangelte es hier am politischen Willen. Die Idee, 170 Gelenkbusse aus dem ganzen Ruhrgebiet zusammenzuziehen und den BesucherInnenandrang auf die umliegenden Bahnhöfe der Region zu verteilen, wurde verworfen.
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Es verhärtet sich der Verdacht, dass man im Rathaus die Probleme einfach aussitzen wollte. So kritisiert Fraktionschef Wolfgang Cordes von den Grünen: „Man hätte schon vor eineinhalb Jahren ernsthafte Gespräche führen müssen.“ Und auch die SPD-Ratsfraktion bemerkte: „Die letztlich genannten Probleme sind seit langem bekannt. Die Erfahrungen aus Essen und Dortmund lagen vor.“
Vieles wäre möglich gewesen, wenn man nur gewollt hätte. So hätte beispielsweise die A 40 für die RaverInnen gesperrt werden können. Die Veranstalter von Lopavent, die eigentlich die Strecke über die Alleestraße und Königsallee vorgesehen hatten, wären zu allen Kompromissen bereit gewesen. Â
Jugendkultur: Nein Danke
Technomusik klingt – im Sinne der Werbekampagne für das Konzerthaus – eben nicht nach Bochum. Das Gleiche gilt wohl für Punkmusik oder andere Errungenschaften einer alternativen (Jugend-)Kultur. Ein Blick auf die städtischen Förderungsmargen bekräftigt diesen Verdacht. Nun bedeutet das Wort „Kultur“ nach dem Duden jedoch „die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerungen einer Gemeinschaft.“ Wenn das immer noch nicht verstanden sein sollte, dann haben wir alle jetzt ein großes Problem in Bochum.
Wo war eigentlich der Bochumer Kulturdezernent Townsend? Es ist doch seltsam, wenn sich zu einem kulturellen Ereignis Wirtschafts- und Rechtsdezernenten zu Wort melden, der Kulturdezernent jedoch schweigt. Zumal, wenn aus der Entscheidung laut Dieter Gorny, dem Geschäftsführer der Ruhr 2010, „ein Menetekel für die gesamte Kulturhauptstadt“ geworden ist.
Anscheinend geht es im Bezug auf die Kultur nur noch um das Anlocken von Investoren und um das Generieren von Kapital. So kommt es immer wieder zu seltsamen Entscheidungen, die letztendlich auch die gewünschten Investoren abschrecken, weil die Verantwortlichen vielmehr von Zahlenkolonnen und Statistiken verstehen als von Kultur. All das ist gleichsam ein Schlag in das Gesicht all derer, die sich seit Jahren – zumeist ehrenamtlich – für das Gedeihen der Kulturlandschaft innerhalb der Stadt engagieren und die Vision einer Kulturmetropole Ruhr erst ermöglichten.
„Kleinstadtdenken, Provinzialität, das ganze zähe Grau des alten Ruhrgebiets“ – das sind laut Dieter Gorny die Attribute, mit denen Bochum in diesen Tagen international wahrgenommen wird. Da kann die Stadt auch künftig Imagekampagnen à la „Bochum macht jung“ starten. Der Nimbus von den geldgeilen alten Säcken wird ihr nach dem Desaster vom letzten Mittwoch noch lange anhaften.
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