Im bsz-Gespräch zeigt sich Ganzert zufrieden über den Verlauf des dreitägigen Programms. Nach Überwindung aller logistischen Herausforderungen ergab sich ein breitgefächertes kulturelles Angebot. So gehörte eine Leinwand- und Fotoausstellung ebenso zum Programmverlauf wie Filmpräsentationen, Diskussionsrunden, Konzerte, Theateraufführungen und Aktionskunst. Da das Projekt bereits im Vorfeld zahlreiche Unterstützung auf dem Campus erfahren hatte, konnte zu allen Veranstaltungen freier Eintritt gewährt werden. Glücklich schätzt sich Ganzert darüber, dass neben der Präsentation der italienischen Problemviertel auch eine Kooperation mit Jugendlichen aus der Bochumer Hustadt realisiert werden konnte.

Leinwand- und Fotoausstellung „Periferie italiane“ im Eingangsbereich GB

Der erste Tag begann mit der Filmvorführung von „C’era na volta Palermo…“ sowie einer anschließenden Diskussion mit der Regisseurin und BewohnerInnen des ZEN. Gleichsam wurde die Leinwand- und Fotoausstellung „Periferie italiane“, die von den neapoletanischen Künstlern Teso und Domus realisiert wurde, in den Schaukästen im Eingangsbereich des GB-Gebäudes eröffnet. Am Abend gab es ein Konzert mit der aus Scampia stammenden und in Italien gefeierten Crossover-Band ’A67 und den legendären Hustadt-Rappern vom Kahsas Clan.

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Der Folgetag begann mit der Vorführung des Films „Gomorrha“, der sich mit der italienischen Mafia beschäftigt. Anschließend gab es zu diesem Thema eine Diskussionsrunde mit den Musikern von ’A67. Organisator Ganzert betont, dass man die Mafia nicht ausschließlich negativ sehen dürfe, sofern man ihr Wesen gänzlich verstehen will. Gerade die sozialen Strukturen der Organisation, die ihren Mitgliedern Unterstützung von Gesundheitskassen über Rechtshilfen und Arbeitslosengeld gewähre, mache es für viele – vor allem mittellose – Italiener so schwierig, die Mafia gänzlich zu verteufeln. Natürlich dürfe dabei nicht über die Gewalttätigkeit und das Bedrohungspanorama der Organisationen hinweggesehen werden, deren Aktivitäten besonders in den sozialen Brennpunkten mit Drogenhandel, Erpressung und Mord die geminderte Lebensqualität zusätzlich herabsetze. Gerade die Droge „Kobrett“ (eine Mischung aus Heroin und Kokain, die Hülse für 8 Euro) treibe in Nordneapel derzeit viele Jungendliche in den Drogentod, so Ganzert.

Gewaltiges Graffiti an der Außenwand des Kulturcafés

Doch ganz so düster sollte der zweite Tag letztendlich nicht ausfallen, da gleichzeitig ab 10 Uhr an der Außenwand des Kulturcafés und des Musischen Zentrums ein Konzeptgraffiti entstand, das gewaltige Ausmaße annahm. Bis in die Nacht hinein wurde von den aus Rom, Neapel, St. Petersburg und Dortmund stammenden Writern Kozimoe, Domus, Arsenic, Teso und Borex 73 ein gewaltiges Bild-Ensemble entworfen, das sich über mehrere Ecken schlängelt und in den kommenden Semestern manch’ Graffiti-Interessierten anlocken dürfte.
Im Zentrum des dritten Programmtages stand die italienischsprachige Theateraufführung von „Il nemico di classe“ (Der Klassenfeind) durch die aus Tor Bella Monaca stammende junge Theatergruppe Ottavo Atto. Zudem führte Daniel Ganzert seinen Film „Tor Bella Monaca“ vor, der sich dem gleichnamigen nordrömischen „Ghetto“ widmet. Wobei Ganzert dieses Wort nicht benutzen würde, wie er im Gespräch erklärt. Zu despektierlich sei es, um die soziale und kulturelle Wirklichkeit in den Problemvierteln zu beschreiben.
Ganzert will vor allem für Verständnis werben. In Rom, den USA und Deutschland aufgewachsen, will er die kulturelle Pluralität innerhalb urbaner Isolation darstellen. Einer Isolation, die von den BewohnerInnen der Problemviertel als extern bedingt wahrgenommen wird. Schicksale werden vorgeführt, zugleich wird von Zuversicht gesprochen. Der Schlüssel zur sozialen Praxis liegt im Aufeinander zugehen. Das Abbauen von Vorurteilen führt zu gegenseitigem Vertrauen, und Vertrauen führt zu einem lebendigen Engagement des Miteinanders. Ganzert ist keiner, der leichtfertig mit hochfahrenden Lösungsvorschlägen daherkommt; sein Verdienst liegt in der Vorführung der kleinen, doch eklatanten Brüche, die unsere Gegenwart uns täglich zumutet. Mit seinem Projekt Periferia ist ihm dies gelungen.

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