7.373 AusstellerInnen und 299.112 Besucherinnnen und Besucher füllten die Messehallen in der vergangenen Woche. Alle waren nach Frankfurt gekommen, um den sechzigsten Geburtstag der traditionsreichen internationalen Messe zu feiern, die unter dem Motto „Zukunft Bildung“ veranstaltet wurde. In Workshops am Rande und auf den Ständen der Messe wurde ein besonderer Fokus auf die Bildung gelegt. Während beim Alphabetisierungskongress am Dienstag wohl aber spürbare Erfolge verzeichnet werden können, Menschen lesen und schreiben beizubringen, ergingen viele Debatten zur deutschen Schul- und Bildungspolitik nur in üblichen Floskeln.
Die bsz nutzte die Chance die Messe zu besuchen, um schon vor unserer großen Sonderseite „Bücher unterm Weihnachtsbaum“ Anfang Dezember einige Messe-Spotlights hier zu präsentieren.
Bunte Türkei
Ein Highlight war die Ausstellung des Partnerlandes Türkei. Die AusstellungsmacherInnen präsentierten türkische Autorinnen und Autoren und vermittelten einen Eindruck der großen literarischen Tradition der Türkei in den letzten Jahrhunderten. Vom osmanischen Reich bis in die heutigen Tage stellten farbige Tafeln die Größen türkischer Prosa und Lyrik sowie SachbuchautorInnen vor. Im Innenhof präsentierte sich das Land und seine Kultur den BesucherInnen. Über 400 Bücher von türkischen AutorInnen erschienen zur Buchmesse in deutscher Sprache und der Nobelpreisträger Orhan Pamuk fand damit die Antwort auf die Frage, wer sich denn für türkische Literatur interessiere. Nach den olympischen Spielen in diesem Sommer und der anhaltenden Debatte über das Land wird China Partnerland der 61. Buchmesse im kommenden Jahr sein.
Im Merze der Münte den Sigmar verlegt
Viele Größen der deutschen Politik machten der Buchmesse ihre Aufwartung, gleich drei davon veröffentlichten pünktlich zum Termin in Frankfurt ihre Bücher. Franz Müntefering spricht über die große Koalition, die Sozialdemokratie und gibt uns Einblick in das Leben und die Gedankengänge eines Ex-Vize-Kanzlers. Er fordert in seinem Buch auf, wieder Politik zu machen und nicht nur zu lamentieren. Genau das tun Sigmar Gabriel und Friedrich Merz mit ihren Ideen und Debattenbeiträgen zur neuen sozialen Marktwirtschaft. „Mehr Kapitalismus wagen: Wege zu einer gerechten Gesellschaft“ titelt Merz sein Buch, in dem er die erhardsche Theorie aufgreift, dass Marktwirtschaft von sich aus sozial sei. „Links neu denken. Politik für die Mehrheit“ heißt das Buch von Sigmar Gabriel. Obwohl beide im Piper-Verlag erschienen, vermieden sie die direkte Konfrontation am Messestand. Der Bundesumweltminister plauderte lieber mit Herrn Wickert.
ARD-Anchor goes crime
Ulrich Wickert, Mr. Tagesthemen, hat mal wieder ein Buch geschrieben. Von einem Nachrichtensprecher kann man so etwas auch erwarten. Man erwartet brillante Analysen der Weltpolitik oder eine Erklärung, warum die Finanzmarktkrise genau so kommen musste, wie sie kam. Und hier enttäuscht Wickert die Erwartungshaltung seiner Leserschaft. In „der nützliche Freund“ läßt er zum dritten Mal den Pariser Untersuchungsrichter Jacques Ricou ein Verbrechen aufklären. Sein Buch handelt von Mord, Korruption, Ölgeschäften und führt Ricou nach Leipzig, wo es ihm gelingt, den Mord am Lobbyisten Marc Leorc aufzuklären. Für alle die nicht bis zum Schluss warten wollen: Der Mörder ist übrigens … [Name nach Redaktionskonferenz entfernt]
Das Buch zum Film
Bereits 1997 überarbeitete Stefan Aust sein Buch aus den 80er Jahren „der Baader-Meinhof Komplex“. Nun wurde die Story der RAF verfilmt und Stefan Aust, der sich selbst als teilnehmender Beobachter des deutschen Herbst sieht, beweist einmal mehr, was die Zeit über ihn schrieb: „Wer sich mit der RAF, ihrer Geschichte, ihren Strukturen und ihren Personen befassen will, wird künftig an Aust nicht vorbei kommen.“ So zeigte es auch der Messestand des Bertelsmann Klub auf dem Stefan Aust die neue Auflage seines Buches vorstellte und über sich, den Spiegel, die RAF und Farbbeutelwürfe in Hamburg Blankenese sprach.
Wikipedia goes offline
Nachdem die erste Idee einer Offline-Ausgabe der Internet-Enzyklopädie Wikipeda bereits 2004 geboren war, ist es nun so weit. Knapp 1.000 Seiten stark bannt es 50.000 Wikipedia-Artikel auf Papier. Die Idee der MacherInnen dahinter: Nicht klassische lexikalische Regeln bestimmen, welche Artikel aufgenommen werden. Vielmehr die Nutzungsfrequenz der Artikel weist ihnen einen Platz in der Papierausgabe zu, so sind in der Print-Version die 50.000 meist gesuchten Begriffe erklärt und bringen Wiki auch ohne Internet auf den Schreibtisch. Anders als in der Online-Ausgabe gab es eine Redaktion, die alle Artikel überprüft hat. Diesen Vorteil macht jedoch die Printform wieder wett: Wie schnell die erste Ausgabe veraltet sein wird, wird sich zeigen, wenn die Community um Wikipedia die Artikel in der Online-Ausgabe überarbeitet, ausgeweitet und verbessert haben wird. Ob sich das Offline-Wiki neben der Online-Ausgbe etablieren kann, wird die Zukunft zeigen, schließlich ist das lexikalische Werk mit 19,95 Euro nicht gerade teuer.
Yogi-Tee und Langenscheidt
Wenn zwei das Gleiche tun, kann es doch völlig unterschiedliche Ergebnisse haben. Als Fachbesuchermesse kann man auf der Buchmesse vergleichsweise wenig kaufen, bekommt dafür aber umso mehr geschenkt. Während der Ausschank von 30 Sorten Yogi-Tee eher der Entspannung diente, erinnerten die Bilder am Langenscheidt-Stand eher an Wühltische beim Winterschlussverkauf, und das, obwohl es lediglich eine Tasche vom Fremdsprachenexperten gab.
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