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Auch in unserer Epoche der Fast-Food-Ketten und Instant-Tütensuppen wird wohl manch’ einem Zeitgenossen nach einem schlechten Mahl Titus’ Ausruf amici, diem amisi entfahren sein. Und das Gefühl, einen ganzen Lebenstag verloren zu haben, mag sich seiner beschlichen haben. Denn was ist ein Burger gegen eine handvoll kostbarer Trüffel aus dem Piemont? Was ein Hotdog gegen Saltimbocca oder einen Ossobuco mit köstlicher Gremolata und Mark? Das mag freilich jeder für sich selbst entscheiden, sofern er – wenn es denn sein muss – den Hotdog mit Liebe und Genuss verzehrt und nicht hastig hinunterschlingt, derweil er auf den Bus wartet. Dem traditionsbewussten Gourmet hingegen sei die schlichte Raffinesse der cucina italiana ans Herz gelegt, über die bereits Heinrich Heine 1834 schwärmte: „Italiens gelbfette, leidenschaftsgewürzte, humoristisch garnierte, aber doch schmachtend idealische Küche trägt ganz den Charakter der italienischen Schönen.“

Italienische Küche vor 1200

Doch was ist eigentlich diese italienische Küche, und wo liegt ihr historischer Ausgangspunkt? Der Lokalismus ist sicherlich ein Schlüssel zur kulinarischen Identität Italiens. Peter Peter sieht die Ursprünge der cucina italiana im Süditalien der griechischen Antike angesiedelt. Berüchtigt sind die Fischsaucen dieser Zeit sowie das würzige Garum, das Maggi der Antike. Mit dem Aufstieg des Christentums war es dann allerdings vorbei mit den üppigen antiken Festgelagen – galt die Völlerei doch als eine Todsünde. So verwundert es nicht, dass aus der Zeit zwischen 400 und 1200 kein Kochbuch aus Westeuropa überliefert ist. Zwar kam es durch germanische Einwanderer zu einer Etablierung der Fleischkultur, doch wollte sich an der stets vom Fastenrhythmus unterbrochenen mittelalterlichen Küche keine Verzückung entflammen – saßen doch selbst in Dantes „Göttlicher Komödie“ die Schlemmer in der Hölle. Zwar kam es durch die Kreuzzüge, die Italien durchliefen, zu einigen kulinarischen Innovationen, und auch Venedig wird als Zentrum des europäischen Gewürzhandels wichtige Impulse zur Entwicklung der cucina italiana beigetragen haben, doch kamen die wesentlichen Einflüsse dieser Epoche aus Bagdad, dem Reich der Kalifen, wo eine multikulturelle Luxusküche vorherrschte. Diese sollte nach der Landung der Araber im Jahre 827 bei Palermo nachhaltig die italienische Küche beeinflussen. Besonders wenn wir an die Süßspeisen denken. So sind die kandierten Früchte aus der Zeit des islamischen Sizilien überliefert.

Küche in der Renaissance

Mit der Renaissance stellte sich bei den Zeitgenossen auch die Freude an der antiken Völlerei wieder ein. Doch allmählich bedrohten die Franzosen mit ihrer haute cuisine die kulinarische Vormachtsstellung der italienischen Feinschmecker. Allerdings durfte man in Italien unbesorgt sein – wusste man doch, woher die Franzosen ihre feine Küche hatten. So hält sich bis heute der Mythos, dass Katharina von Medici, die 1533 anlässlich ihrer Hochzeit mit dem französischen König Henri II. nach Frankreich zog, bei Hofe ihre kulinarischen Spuren hinterlassen habe. Ihrem Einfluss wird die Etablierung des Speiseeises, der Béchamelsauce sowie der Gabel nachgesagt. Zwar kritisierte die Kirche die Gabel als Teufelswerk, da auch der Beelzebub eine besäße, doch bediente ihre Verbreitung die Verfeinerung der Tischkultur im Land der Gourmets und Gourmands.

Essen im 20. Jahrhundert

In der Moderne sorgte nicht zuletzt Filippo Tommaso Marinetti mit seinem Manifesto della cucina futurista (1930) für so manche kulinarische Anekdote getreu dem antiklassischen futuristischen Motto: „Ein Suppenhuhn ist schöner als die Nike von Samothrake“. Die italienischen Protofaschisten verachteten zudem die Pasta, da ihrer Wirkung eine gewisse Trägheit nachgesagt wurde. So plädierte Marinetti für das Risotto, das sich in diesen Jahren als Konkurrent zur Pasta durchsetzen sollte – nicht zuletzt, da Russland gerade die Weizenlieferung an Italien eingestellt hatte. Der Welterfolg der italienischen Küche schließlich ist dem erst in den 60er und 70er Jahren allmählich eintretenden Imagewandel Italiens geschuldet, der die zuweilen großen Vorbehalte gegenüber der cucina italiana in globales Wohlgefallen verwandelte.

Spaghetti ohne Löffel

Nachdem Peter Peter seine Buchpräsentation beendet hat, beantwortet der Autor noch eine drängende Frage aus dem Publikum, wodurch ein großes Geheimnis der italienischen Kultur gelüftet wird: Isst der gemeine Italiener seine Spaghetti nun mit oder ohne Löffel? Die Antwort überrascht: So wird in den Orten um Neapel herum, dort wo die langen Spaghetti erfunden wurden, ein Löffel benutzt; die restlichen 99 Prozent der Italienerinnen und Italiener verzichten jedoch auf einen Löffel und vertilgen ihre Pasta allein mit der teuflischen Gabel.

Carsten Marc Pfeffer

Dr. Peter Peter ist Mitglied der deutschen Akademie für Kulinaristik, Dozent an der von der Slow-Food-Bewegung gegründeten Universität Pollenzo/Colorno sowie Restaurantkritiker der FAZ. Diverse Publikationen zum Thema der Kulinaristik, zuletzt: „Die Kulturgeschichte der italienischen Küche“, CH. Beck.

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