Als Grußwortrednerin beim „Schnuppertag zum Jahr der Mathematik“ ließ sich Frau Sommer vergangenen Donnerstag zu einem Kurzauftritt im Gebäude NA blicken, wo erst neulich – just in time – die längst überfällige Renovierung einiger maroder Seminarräume beendet worden war. Weder dem ansonsten weiterhin reichlich maroden Zustand des Campus, noch den bildungspolitischen Anliegen der am „Schnuppertag“ den Hörsaal füllenden SchülerInnen und Studierenden widmete die Ministerin jedoch ihre geschätzte Aufmerksamkeit. So verlor sie kein einziges Wort über ein gut sichtbar im Saal plaziertes Transparent, auf dem unter anderem die rigorose Sommersche Bildungspolitik im Zeichen von Studiengebühren und Kopfnoten mit dem Schriftzug „CDU: Setzen, 6“ kommentiert wurde. Und dies, obwohl es wegen der Banderole an der Hörsaalwand beinahe zum Eklat gekommen wäre, da sich die Ministerin anfangs geweigert habe, überhaupt den Saal zu betreten, solange das Transparent dort hänge. Â
Nach einer langwierigen Diskussion mit den Organisatoren über das grundgesetzlich garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung geht es dann plötzlich doch los – eine angestrengt lächelnde Schulministerin gibt sich alle Mühe, den Kopf während ihres Grußworts auf keinen Fall zu weit nach rechts zu drehen und das Menetekel an der Wand geflissentlich zu ignorieren. Als die Ministerin dann zum Auftakt auch noch eingesteht, dass sie niemals richtig etwas mit Mathematik habe anfangen können, macht sich erstmals Unruhe breit im Saal – „offensichtlich auch nicht mit Politik“, mag so manche/-r im Geiste ergänzt haben. Als dann auch noch die erstaunliche Nullaussage „wir brauchen jeden im Land – wir brauen auch mathematischen Nachwuchs“ aus den Lautsprechern dringt, kippt die Stimmung vollends: Zahlreiche Buh-Rufe mischen sich in den zögerlichen Applaus für die entpolitisierte ministerielle Kurzvisite, und Erleichterung macht sich breit, als Frau Sommer endlich vom Mikrophon ablässt und sich auf ihr hölzernes Klappbänkchen in der ersten Hörsaalreihe setzt. Immerhin nimmt sie noch die nüchternen Grußworte des Prorektors für Planung, Struktur und Finanzen, Tibor Kiss, dem der Aufbau „zielgruppenorientierter Dienstleistungen“ an der Hochschule ein zentrales Anliegen zu sein scheint, und des Dekans der Fakultät für Mathematik, Ulrich Simon, wahr, der MathematikerInnen beherzt als „Überzeugungstäter“ bezeichnet. Die qualitativ recht unterschiedlichen Fachvorträge über eine angeblich dringend notwendige „Zahlsprechreform“, mathematische Knotenkunde sowie kriminologische Kryptologie hört die Ministerin schon nicht mehr. Macht aber nichts – bei der mathematischen oder politischen Sinnesschärfung geholfen hätte es vermutlich ohnehin nicht.    Â
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