Persönlicher Reisebericht, Teil 2
In der letzten Woche erfuhrt ihr an dieser Stelle über meine geographische Exkursion in die Nationalparks von Colorado und Utah, über die Schönheiten der höchsten Sanddünen der Vereinigten Staaten und die bemalten Schluchten des Black Canyon of the Gunison Nationalparks. In dieser Woche möchte ich die bsz-LeserInnen einladen, mit mir nach Utah zu fahren: zu meinem persönlichen Höhepunkt der Reise: Dem Canyonlands Nationalpark.
Der Park wird durch den Green River und den Colorado in drei Teile geteilt, welche nicht miteinander verbunden sind: Den einsamen, wenig erschlossenen Maze-District im Osten, den Needles im Süd-Westen und den beliebtesten Teil Island in the Sky im Norden des Parkes. Die verschiedenen Sedimentgesteine, wie zum Beispiel der Cedar Mesa oder der White Rim Sandstein, sind durch mehrere Jahrmillionen von Wasser und Wind in die verschiedensten Formen gefeilt worden. Es gibt die tiefen, mäandrierenden Canyons der Flüsse, die großen Plateaus der Mesas und Buttes, die feinen Nadeltürmchen, pilzförmige Formationen aber auch Arches (Steinbögen), prägen die Landschaft. Alles in allem eine Menge roter Stein, der einst durch einen Ozean an dieser Stelle sedimentiert wurde. Diese vielen Schichten leuchteten uns im Licht der Septembersonne bei unserer Einfahrt entgegen und gaben einen kleinen Vorgeschmack auf die nächsten Tage.
Cowboys in Zelten?!
Mit ein bisschen Glück durften wir auf einem der warscheinlich schönsten Zeltplätze der Welt campen, dem Split Top Campground. Zwischen pilzförmigen Steinen verborgen bilden zwei Felsvorsprünge eine Höhle mit gespaltenem Dach – hier schliefen viele von uns die nächsten zwei Nächte auch ohne Zelt gut. Sehr zum Unmut der vertriebenen Fledermäuse und zur Freude der Mäuse, die uns in der zweiten Nacht durchs Gesicht krabbelten – auf der Suche nach den Schokoriegeln, die nicht weggeräumt worden waren. Jedoch gewöhnten wir uns langsam an das Schlafen im Freien und die Geräusche der Nacht, genau wie die Indianer und später auch Cowboys. Wir besuchten ihr historisches Lager am nächsten Morgen, noch bevor wir uns zur Tageswanderung aufmachten.
Wanderung Wild West
Die Nacht war empfindlich kühl, sodass wir morgens meist mit Handschuhen und Mützen aufbrachen, doch noch vor Mittag in unseren Shirts schwitzten. Die Sonne wurde auf der Wanderung in der unglaublichen Landschaft über Stock und Stein zum quälenden Hindernisfaktor: Wer keinen Hut oder weniger als drei Liter Wasser dabei hatte, war schon gegen Mittag zum Aufgeben gezwungen. Unsere Wanderwege führten uns quer durch den Park, sie waren gekennzeichnet durch Steinhaufen – fehlte einer, stellte uns dies oft vor ein Rätsel. Dennoch birgt diese Art zu wandern viele spannende Momente, wie das Laufen durch Flussbette, das Klettern auf bloßem Stein, Springen über Felsbrocken, Erklimmen von Leitern oder das Balancieren durch nicht mal schulterbreite Schlitze. Was macht es denn schon, wenn man vor lauter Wandern in eine Art Trance verfällt, die Schultern verspannt schmerzen und jeder falsche Schritt eine Katastrophe bedeuten könnte? Schließlich wartete hinter jeder neuen Biegung eine neue architektonische Meisterleistung der Natur auf uns. „Quäl’ dich, du Sau!“ war die Devise, und die Beine liefen einfach weiter, Schritt für Schritt. Die letzten vier Meilen erschienen endlos bis wir gegen 18 Uhr am Zeltplatz ankamen, nach zehn Stunden auf den Beinen. Der nächste Tag mit grandiosen Ausblicken vom Dead Horse Point State Park versprach Entspannung mit nur einem kleinen „Spaziergang“ von fünf Meilen (8 km) bis zum Highlight am Abend: Dem Sonnenuntergang am Ende des Grand Viewpoint Overlooks.
Wo sind denn die Arches?
Die nächsten Tage verbrachten wir im benachbarten Arches Nationalpark. Nur wenige Kilometer entfernt, zeigte sich hier wieder ein neues Landschaftsbild. Auch hier waren das Urzeitmeer und die abgelagerte Salzschicht mit darüberliegenden Sandsteinschichten die Erbauer der Landschaft, nur bildeten sich durch Verschiebungen Rippen. Diese wiederum wurden durch Wind und Kälte ausgehölt, und es bildeten sich Bögen, Arches – der Größte ist 93m breit (wie ein Fussballfeld) und in Teilen nur 1,80m dick. Nicht für die Ewigkeit gemacht also, denn die Erosion ist immer noch am Werk – im ganzen Park gibt es etwa 2000 der Prachtexemplare. Wir erschlossen die meisten Arches zu Fuss und dabei trafen wir auf viele Touristen aus aller Welt, die sich diese beliebten Fotomotive ebenfalls nicht entgehen lassen wollten. Wie lange wir schon in der Natur lebten, bemerkten wir am Duft der frisch parfümierten Reisenden im Kontrast zu unseren verschwitzten, sandigen Wanderklamotten. Ein Mekka für FotographInnen war der Delicate Arch, ein Wahrzeichen Utahs, welches wir nach einer schönen Wanderung im Sonnenuntergang genießen konnten. Nach vier Tagen voller roter Erde, Hitze und Sandstein waren wir trotz fantastischer Eindrücke übersättigt und die Vorfreude auf die Rocky Mountains dementsprechend groß.
Rocky Mountains
Temperaturschwankungen von 30 auf 0 Grad innerhalb von 24 Stunden sind in den USA kein Problem. Gestern hatten wir noch im trockenen Sand geschlafen, am nächsten Tag bauten wir Schneemänner auf dem Independence Pass, der amerikanischen Wasserscheide. Nach einer langen Fahrt trafen wir im berühmten Rocky Mountains Nationalpark ein und erfassten die Größe und Mannigfaltigkeit des Vulkangesteins mit einer ersten Rundfahrt. Auch die scheinbar karge Natur überhalb der Baumgrenze bot genügend Raum für Lehrstoff. Warum formen herabrollende Steine eigentlich beim Liegenbleiben Ringmuster? Eine Parallele zu Kornkreisen? Trotz über 3000m Höhe mussten wir unsere Hirne ganz schön anstrengen. Einfach nur Staunen konnten wir über die Tiervielfalt: Hatten wir in den trockenen Canyonlands noch jede Eidechse bewundert, begegneten wir hier Streifenhörnchen, Blauhähern und großen Herden Wapitihirschen. Es war Brunftzeit und das Röhren weithin zu hören – leider allerdings kein tiefes Hirschgebrüll, sondern ein Geräusch ähnlich quitschender, rostiger Eisentüren, welches uns in den Schlaf begleitete.
Die zwei Wochen Exkursion waren so vollgepackt mit Impressionen, Wanderungen, Besichtigungen, Staunen und neuem Lehrstoff, dass sie schnell vorbei gingen. Ich bin an meine körperlichen Grenzen gegangen, habe sie vielleicht sogar überschritten – trotzdem war die Exkursion Urlaub vom Alltagsstress, von der Zivilisation, einfach nur Natur. Und ich bin sogar auf den Geschmack gekommen…
jkae
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