Warum loben?

In die Massenmedien ist ein zauberhafter Mechanismus eingebaut, der es unmöglich macht, per Geschmacksurteil zu vernichten. Ein Verriss ist nicht so schlecht wie die schlichte Ignoration. Eine Erregung hilft dem Erregungsauslöser immer noch mehr als das Schweigen. Auch wenn das Buch XY von Reich Ranicki in der Luft zerrissen wird, dass die Spucketröpfchen nur so fliegen, der/die ZuschauerIn/ LeserIn wird es trotzdem kaufen.

Offenbar wirken in den Kritiken lesenden Menschen Trotztriebe, die sie dazu auffordern, sich eine eigene Meinung zu bilden. Was weiß schon der Kritiker? Der liest den ganzen Tag nichts als Bücher. Das muss dem doch auch irgendwann zu den Ohren raushängen. Da muss er ja fast zwangsläufig an den Punkt kommen, an dem ihm jedes Buch zum Ekel wird. Und selbst wenn dem nicht so ist: Warum dann nicht irgend etwas anderes, das der feinen Kritikerseele die Lesefreude eintrübt: Hund tot, Oma verschollen, Tochter mit Haschisch erwischt? Man kann sich also nicht auf die Worte des Kritikers verlassen. Zuviel Unwägbarkeiten, Zufälle und Störfaktoren lassen seinen Thron, von dem er seine Geschmacksurteile verkündet, wanken.
Und generell muss man sich schon fragen: Hat er überhaupt (noch) auch nur ein ähnliches Leseinteresse (also Geschmack) wie man selbst (als Leser).
Was den Kritiker aber in den Wahnsinn treiben muss, ist aber nicht die Tatsache, dass seine LeserInnen/ZuhörerInnen/ZuschauerInnen, was auch immer (Publikum!), seinen Beiträgen aufgrund der Unpersönlichkeit massenmedialer Kommunikation zu misstrauen haben, sondern vielmehr seine Unmöglichkeit zu vernichten. Eine vernichtende Kritik kann es gar nicht geben, wie die Erfahrung beweist. Niemandem hilft eine Kritik mehr, als dem/der Kritisierten. Die schlimmste Strafe muss also die Nichtbeachtung sein. Nur sie schafft, was alles Zetern und Moralisieren nicht schaffen kann: die Vernichtung.

Ein Hoch
aufs Runtermachen

Und doch fällt auf, dass es sehr viele negative Kritiken gibt, dass es meist sogar die Negativen sind, die lieber gelesen werden. Das mag daran liegen, dass ein Meinungsdissens aufgebaut wird und so ein Konflikt allemal spannender zu verfolgen ist, als ein einmütiges Beipflichten und Rumgeschmuse rund um das Kritisierte.
Doch was macht der Kritiker, wenn er sieht, dass sich die Leute trotz seiner Kritik das von ihm verrissene anschauen/lesen/anhören? Liegt er dann zu Hause auf dem Sofa und sticht auf eine Voodoopuppe, der ein Foto des Künstlers (ausgeschnitten aus der eigenen Kritik?) auf dem Gesicht klebt, ein und verflucht diesen Künstler noch schlimmer, als er es schon öffentlich in seiner Kritik getan hatte?

Lederpeitsche &
 Astrologieberatung

Wird er sich in einsamen Höhen des Geschmacks wähnen, seine Kritiken als Unrat betrachtend und auf den Publikumsverstand auskübelnd? Wird er die einschlägigen Verkaufstabellen ausschneiden und sich vor ihnen mit einer Lederpeitsche geißeln, dabei ausrufend: „Ich bin zu schwach! Oh Gott (meint er damit den vermeintlich guten Geschmack ?!)! Ich habe es nicht geschafft! Das Elend regiert die Köpfe! Die Verschlammung der Hirne ist an einem Punkt angelangt, von dem aus es kein zurück mehr geben kann!“
Das alles wohl schon, vorausgesetzt er hat das Gefühl wahrgenommen zu werden. Hat er dieses Gefühl nicht, kann er ganz unbeschwert zetern und trotzdem der Meinung sein, damit dem Kritisierten nicht geholfen zu haben. So schreibt er dann womöglich Sätze wie: Madonnas Musik ist die Abgeschmacktheit einer schmierigen Waldklinikgroschenromanheftserie im kittelschürzigen Cholesterin- und Kalorientabellengewand inklusive Zahnlücke und Astrologieberatung. Wohl wissend, dass niemand diesen Satz verstehen kann, weil ihn niemand liest, kann ein Kritiker, der einen solchen Satz schreibt, ganz beruhigt schlafen, ohne dass Größenwahn-oder Paradoxieproblematik seine Träume zu trüben vermögen.

Juden &
Zigeuner

Um noch schnell auf den eigentlichen Sinn dieses Artikels aufmerksam zu machen: Es sei hiermit der Besuch des Kinofilms „Borat“ anempfohlen. Im Vordergrund meiner Empfehlung steht das Kino als Ort und nicht der Film an sich, da die Reaktionen des (deutschen) Publikums auf die Witze, die Juden und Zigeuner betreffen, das Lustigste am Film sind, was nicht heißen soll, dass der Rest des Streifens nicht zu überzeugen wüsste, ganz im Gegenteil.

Benz

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