Nach Jahren der Verjüngungskuren des deutschen Fernsehprogramms, besinnen sich immer mehr Sendeanstalten auf die einzig wachsende Zielgruppe unserer Tage. Seniorinnen und Senioren. Die so genannten Silver-Watcher sehen schließlich die Welt und die Bildröhren mit ganz anderen Augen, als die hippe und geschwindigkeitsorientierte Jugend. Der Unterhaltungswert von Formaten wie „Verliebt in Berlin“ (ja das waren wir auch mal, 1943) oder „Schlag den Raab“ (Wir haben damals noch den Iwan geschlagen), stoßen nur auf geringes Interesse in der Altersklasse der 50 bis 100jährigen.
Neben Talkshows (Gesprächsrunden) und Kochduellen (Essen auf Rädern) erfreuen sich gleich eine Reihe seniorengerechter Programme immer größerer Beliebtheit. So flimmerte mir bei nachmittäglicher Langeweile, neulich noch vor dem großen Sommererinbruch, das Magazin „Mode mal ehrlich“ mit dem wohl nur älteren Semestern bekannten Paul (oder war es Günther) Ehrlich über die Frequenz des Mitteldeutschen Rundfunks über den Monitor.
Eine Stunde lang Mode, wie sie ehrlicher nicht sein kann. Was sonst nur bei Wehmeyer in den Regalen verstaubt oder aus dem BonPrix-Katalog bestellt werden kann, wird hier fantasievoll und und romantisch in die Szenerie der Senioreninsel Madeira gesetzt. Knackige Models, deutlich unterhalb der 30, staksen vor sonniger Kulisse „in edler Optik und geschmeidigen Silhouetten“ mit weit geschnittener Mode „für Leute die nicht mehr auf jung machen müssen“ durch die Insellandschaft.
„Der beliebte Großmutter-Wäschestil“ sieht auf junger, knackiger Haut auch nicht besser aus, als in unserer dunklen Fantasie auf einem altersgerechten Körper. „Elegante Formen und Farben zum Verlieben (Lachs-Papaya!)“ lassen bestimmt keine Flecken auf der Kleidung sichtbar werden, wenn man sich mit der Gabel mal wieder in den Dritten verhakt und die Tomatensoße auf den Leib pladdert.
Apropos Madeira. Da darf doch ein Wortspiel unterster Kategorie aus den Worten des Moderators nicht fehlen. „Der Rotwein ist für ält‘re Knaben, eine der besseren Gaben.“ Vom fehlenden Versmaß mal zu schweigen, kocht hier die Stimmung in den Seniorenresidenzen der Republik wohl gerade auf höchster Flamme und die nächste Flasche Madeira kann beim Pflegepersonal geordert werden.
Wahrhaft seniorengerechte Mode mit einer Präsentation von Hüftschutzhosen, Pflegeoveralls und ähnlichem; dazu mit Bringservice und Ankleidedienst an der Haustüre, wird wohl nicht lange auf sich warten lassen und uns Jungvolk heitere Stunden der Fernsehunterhaltung bescheren. Bis wir mal in dem Alter sind, werden dann hoffentlich auch generationengerechte Formate im Stile „Wie krieg ich mein Piercing aus der Orangenhaut“ und „Damals wars – die Rente“ auf Sendug gehen.
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