Wer arbeiten will, zahlt drauf
Letztes Jahr, als die „Generation Praktikum“ Schlagzeilen machte, versprach der Arbeitsminister des Staates, Franz Müntefering, sich dieses Problems anzunehmen. Wenig geschah. Letzten Donnerstag wurde sie, die Generation, als eigener Tagesordnungspunkt im Bundestag diskutiert, nachdem zwei – separate – Anträge von den Grünen und der Linken eingebracht worden waren. Allerdings hat dies, nicht überraschend, zu keinen grundlegenden Resultaten geführt.

Dabei ist die Stimmung angespannt, unter BeobachterInnen wie Betroffenen. Während Praktika per se den meisten sinnvoll erscheinen, sind die Umstände, unter denen diese stattfinden, sowie die einhergehenden Probleme nicht zu verachten. Schon im letzten Sommer kamen in einer Online-Bundestagspetition über 40.000 Stimmen zusammen. Zuletzt sammelte die DGB-Jugend zusammen mit fairwork e.V., ebenso online, weitere 60.000 Unterschriften, die dem Bundestag übergeben wurden, mit dem Ziel, Regelungen zu veranlassen, die Praktika gerechter machen würden. Der Petitionsausschuss des Bundestags wird in den nächsten Tagen beschließen, wie das Thema in der nahen Zukunft im Bundestag gehandhabt werden soll.

(Ir-)regulär erwerblos

Die Forderung von DGB-Jugend und fairwork für ein faires Praktikum entsprechen dem eigentlichen Sinn von Praktika. So diene das Praktikum: „in erster Linie dem Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen. Das Lernen steht im Vordergrund und darf nicht von der jeweiligen Arbeitsleistung des Praktikanten/der Praktikantin überlagert werden. Wenn die Arbeitsleistung den Erwerb beruflicher Erkenntnisse überwiegt, hat der/die PraktikantIn Anspruch auf vollen Lohn (§ 138 II BGB).“ Somit ersetzt das Praktikum keinen regulären Arbeitsplatz, es sollte vertraglich geregelt sein, eine Betreuung und ein Zeugnis gehören dazu, ebenso wie eine Vergütung nicht unter 300 Euro im Monat, sowie eine Regeldauer von nicht mehr als drei Monaten, um das Praktikum in die Semesterferien einpassen zu können.

 Mit Vollgas in die Schuldenfalle

Ein essentieller Punkt im Leitfaden, der auch in der Diskussion sehr präsent war, ist, dass nach dem Abschluss einer akademischen Ausbildung keine Praktika mehr gemacht werden, sondern reguläre Arbeitsverhältnisse angeboten werden sollen, etwa Trainee- oder BerufseinsteigerInnenprogramme.
René Voss, Vizepräsident des Deutschen Studentenwerks, äußert sich besorgt über die immer noch anhaltenden prekären Verhältnisse bei Beschäftigung auf Praktikums-Niveau: „Die Frage der Studienfinanzierung wird gerade in der Generation Praktikum häufig verdrängt. So kommt es häufig zu einer Doppelbelastung aus Studium mit praktischen Elementen zum einen und dem Zwang zur Erwerbsarbeit auf der anderen Seite. Es ist ein Mythos, gerade in Zeiten, in denen die Bundesregierung beschließt, das BAföG erneut nicht anzupassen und, dass ein Studium kostenlos sei, nur weil bislang keine Studiengebühren fällig werden. Ergebnis ist, gerade auch wegen der niedrigen Akademikerarbeitslosigkeit eine steigende Bereitschaft, sich mit Studienkrediten zu verschulden.“
Die Verschuldung, der sich die Studierenden heute gegenüber sehen – insbesondere mit der immanenten Einführung von Gebühren – wird viele in Situationen bringen, in denen sie sich entweder weiter verschulden müssen, um weitere Praktika vor dem Berufseintritt zu absolvieren, oder aber sie werden sich weniger konkurrenzfähig sehen, bzw. aufgrund fehlender Erfahrungen nicht in die Berufe einsteigen können, die sie angestrebt hatten. Besonders hart trifft das diejenigen, die sowieso schon zu kämpfen hatten im Studium – sei es durch Erwerbstätigkeit zur Studienfinanzierung, sei es durch familiäre Belastungen. Aber die Tücken der „Generation Praktikum“ gibt es für den allergrößten Teil der StudentInnen, die einen Einstieg in den Arbeitsmarkt suchen, und sinnvolle Lösungen oder Strategien sind hier vonnöten.

Tanja Tästensen

Weitere Infos:
DGB-Jugend und GEW laden ein zu einem einführenden Vortrag zum Thema mit Melanie Maier, Jugendbildungsreferentin beim DGB. Im Rahmen der Veranstaltung besteht die Möglichkeit, Fragen zu stellen und das Thema breiter zu diskutieren.
Mittwoch, 31. Januar 2007, AusländerInnenzentrum
(hinter dem Kulturcafé), 18 Uhr
Bei weiteren Fragen:
HIB/Campus Office, Raum SH16, Mittwochs 15-18 Uhr

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