Was es mit Einsamkeit auf sich hat, zweiter Teil

Die Grenzen zwischen Alleinsein, Einsamkeit und (totaler) Isolation sind schwimmend, wenn nicht sogar gar nicht vorhanden. Dennoch spricht man ständig davon. Die Begriffe gehören zu unserem alltäglichen Sprachgebrauch. Woran aber soll man sich orientieren, wenn man für sich selbst versucht, Klarheit zu schaffen? Gibt es bestimmte Richtlinien, an die man sich halten kann? Oder einfach nur ignorieren?

Der Mensch ist ein Rudeltier. Das ist allgemein bekannt. Doch jedes Rudel hat auch seine einsamen Wölfe. Die Einen leben damit prima – die anderen weniger. Woran liegt das? Forscher haben (mal wieder) herausgefunden, dass es Leute gibt, die sozusagen von Natur aus ein „einsames Wesen“ haben. Die sind auch in einer Partnerschaft „einsam“, haben damit aber meistens kein Problem. Kann es also sein, dass Menschen, die ein „einsames Wesen“ haben bzw. „einsame Wesenszüge“ aufweisen, besser allein sein können?
Schließlich gibt es auch Menschen, die sich in einer Partnerschaft einsam fühlen, dies aber gar nicht schön finden, sprich eigentlich gar kein „einsames Wesen“ haben, jedoch so leben.
Darf man hier überhaupt von Einsamkeit reden? Oder sollte man einen ganz anderen Begriff wählen, dem nicht ein so negativer Beigeschmack anhängt?

Menschen sind doch auch nur Tiere

Es ist ein schwieriges und gefährliches Terrain, auf welches man sich bei solchen Diskussionen begibt. Wie in der letzten Ausgabe erwähnt, traut sich kaum eineR offen zu gestehen, dass sie oder er sich einsam fühlt. Gleichzeitig gibt es, wie in der Partnerschaftsdiskussion, wieder einzelne Exemplare der Spezies Mensch, die es kein bisschen schlimm finden, wenn sie „einsam“ sind. Sie sind gerne alleine, können auch ohne Begleitung ins Kino gehen und haben keine Probleme ohne wärmenden Bettpartner einzuschlafen.
Wie steht es mit Leuten, die (sogar) allein verreisen? Wüsten durchwandern, Berge erklimmen oder einfach nur in einer Berghütte die Natur genießen. Manch eineR braucht dies nur ab und zu (Erholung vom Alltag), manch eineR möchte am Liebsten die meiste Zeit in einer Art „Eremitendasein“ leben.
Ist es eine Art Trend der Neuzeit, dass Einsamkeit entweder verschrien oder nur als „Urlaub“ gestattet wird? Man sollte Menschen, die auf Andere „nicht angewiesen“ sind, doch eigentlich bewundern. Immerhin legen sie eine ausgereiftere Selbstständigkeit an den Tag, als die Mehrheit der restlichen Bevölkerung. Trotzdem wird ihnen ein Armutszeugnis ausgestellt und Mitleid bekundet.

Und tschüß!

Wie steht es um StudentInnen, die ein Auslandssemester absolvieren? Sie fahren allein in ein fremdes Land, in eine fremde Stadt, zu fremden Menschen. Sie lernen zwar meist neue Leute und Freunde kennen, dennoch: Sie machen es allein. Und immer wieder ist von Einsamkeit zu hören: Man hatte Heimweh, mochte die Menschen nicht, konnte keinen Anschluss finden. Da ist der Versuch, allein klar zu kommen meist gescheitert. Oder man nutzt die Gelegenheit. Viele sind sogar stolz auf ihre „Einsamkeitserfahrungen“. Sie konnten sich alles anschauen, einprägen, genießen. Ohne dabei von Anderen abgelenkt oder womöglich abgehalten worden zu sein.
Auch junge Menschen, die zum ersten Mal alleine wohnen, machen diese Erfahrungen. Entweder man zieht in eine WG oder besteht auf seine eigenen vier Wände. Bei ersterem denkt man an gemeinsame Abende, ständiges Miteinander, jedoch auch Rückzugsmöglichkeiten, wann immer man möchte. Dass der Schein oft trügt, ist nebensächlich. Wer nach WG-Erfahrungen zum ersten Mal eine eigene Bude hat, ist erstaunt, wie viel Zeit man eigentlich alleine ist. Wieviel Zeit man früher mit anderen verbracht hatte ohne wegzugehen, ohne jemanden zu „treffen“. Und wieviel Aufwand es dann ist, Leute zu Verabredungen zu bringen, die selbst in einer WG wohnen. Miteinander ohne Zusammenwohnen ist eben auch „anstrengend“, man muss sich drum kümmern. Zuhausebleiben in Gemeinschaft ist da schon gemütlicher und einfacher.
Oder das berühmte Beispiel der Pärchen: Freunde werden nebensächlich. Wenn man sich dann aber getrennt hat, muss man sich auf einmal wieder um sie kümmern. Oder man bleibt „einsam“.
So oder so: Einsamkeit sollte nicht immer als schlecht befunden, sondern genutzt werden. In der heutigen Zeit ist Ruhe und Abgeschiedenheit ein solch kostbares Gut, welches nur allzu schnell aufgebraucht sein könnte.
aw

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