Vom Campus vertrieben
Seit inzwischen fünf Jahren veranstaltet Marcus Glorias Agentur die Sommerfeste auf dem RUB-Campus nicht mehr; das Uni-Rektorat hatte die Notbremse gezogen und das Fest im Jahr 2003 abgesagt. Zuvor war die Kritik immer lauter geworden: Selbstorganisierte studentische Angebote wurden auf dem von „Cooltour“ ausgerichteten Campusfest nämlich durch bürokratische Auflagen weitgehend verhindert – offenbar trugen sie nicht in ausreichendem Maße zum Profit des Veranstalters bei. Der versuchte zwischenzeitlich sogar, sein profitables Getränkemonopol mit Kontrollen beim Betreten des Uni-Geländes durchzusetzen. Wenn studentische Initiativen Getränke verkauften, war manchmal von „Schwarzverkauf“ die Rede. Die an den offiziellen Bierständen beschäftigten StudentInnen klagten über schlechte Arbeitsbedingungen und fragwürdige Lohnregelungen. Jahr für Jahr gab es Probleme mit Nazi-Präsenz und Schlägereien, und insgesamt war kaum noch von einem Campusfest, sondern vielmehr von der „Querenburger Kirmes“ die Rede.
Vorwärts immer
All das führte dazu, dass sowohl der AStA als auch viele Fachschaften die Zusammenarbeit mit dem durchkommerzialisierten Uni-Sommerfest aufkündigten und von dem Rektorat ein Ende der Fehlentwicklung forderten. Einige Jahre lang rief der AStA zum Boykott des Campusfestes auf und veranstaltete alternativ das mehrtägige studentische Sommerfest „Sommernachtskultur“. Im Jahr 2003 wurde es dann endlich auch dem Uni-Rektorat zu bunt: Die Unileitung sagte das von „Cooltour“ geplante Campusfest kurzerhand ab und lud die studentischen KritikerInnen dazu ein, gemeinsam für das kommende Jahr ein tragfähiges und unkommerzielleres Sommerfest-Konzept zu entwickeln.
Seitdem haben studentische Initiativen, Fachschaften und die Studierendenvertretung wieder einen Platz auf dem Campusfest. Ein für die BesucherInnen teures Getränkemonopol gibt es auch nicht mehr. Dass Marcus Gloria so vom Campus der RUB vertrieben wurde, wird er indes gut verschmerzen können. Denn das zweite Standbein seiner Firma wuchs scheinbar unaufhörlich weiter. Nach Angaben des Veranstalters hat sich die BesucherInnenzahl von „Bochum Total“ seit dem Jahr 2000 bis heute nahezu verdoppelt. Inzwischen rühmt sich Marcus Gloria sogar, mit fast einer Million Gästen jährlich das größte Festival Europas auszurichten. Dass er vor zehn Jahren den Radiosender Eins Live als Medienpartner gewinnen konnte, trägt seitdem sicherlich zu der Popularität des Festivals bei.
Die Not ist eine Tugend
Auf die ganz großen Headliner werden die BesucherInnen von „Bochum Total“ trotz des Expansionskurses auch dieses Jahr verzichten müssen. Denn auch wenn es sich bei dem Festival um ein frei finanziertes kommerzielles Spektakel handelt, bleibt die Ausrichtung auf hoffnungsvolle Nachwuchsbands erhalten. So werden zum Beispiel am Donnerstag „Arme Ritter“, die Gewinner des vom RUB-AStA und dem AKAFÖ-Kulturbüro boSKop veranstalteten Bochumer Newcomer-Festivals aufspielen. Damit erweisen die Veranstalter der Musikszene einen Dienst – auch wenn sie eigentlich nur aus der Not eine Tugend machen: Wiederholt hat Marcus Gloria gesagt, dass er schon gerne einmal einen Weltstar zu „Bochum Total“ einladen würde, aber: Die Veranstaltungsorte in der Bochumer Innenstadt geben das nicht her. Schon jetzt sind einige Konzerte dermaßen überfüllt, dass es immer wieder zu gefährlichen Situationen kommt. Würden mit einem großen Namen noch mehr Gäste angelockt, könnte das zum Kollaps des Festivals führen.
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